Einer derart kompromisslos agierenden Künstlergruppe wie Laibach gedanklich beizukommen und ihren Ideen zu folgen, endet oftmals im luftleeren Raum der eigenen Überlegungen. Dafür ist der Ganzheitsanspruch der Gruppe, die sich auch in den Bereichen Malerei, Theater und Performance austobt, einfach zu weit gefasst. Die Idee eines wagnerianischen Gesamtkunstwerks haben Laibach schon längst auf die Spitze getrieben. Wo kann man da noch mal neu ansetzen?

Die Antwort liefert nun das gefühlt drölftausendste Album "Sketches Of The Red District". Denn nach ihrer rituellen Ausschlachtung diverser Popklassiker sowie durch freundlicher Mithilfe von Rammstein, die man immer gerne mit Laibach verglichen hat (Mitglied Ivan Novak selbst hat es treffend beschrieben: "Rammstein ist Laibach für Kinder - Lainbach ist Rammstein für Erwachsene"), wurde Laibach einem immer größeren Publikum bekannt. Ihre martialische und provokante Ästhetik tat da sicherlich ihr Übriges. Die Band ist so weit gekommen, dass sie jetzt den Blick zurück wagt und nach über 40 Jahren Existenz ihren Anfängen nachspürt.

Diese waren aber von post-industrialistischen Klangräumen durchzogen, die sich auf dem aktuellen Album in ihrer ganzen Tragfähigkeit ausbreiten. Die monumentale Retroavantgarde weicht einer Collage aus überlagerten Drones, heftigen Störgeräuschen und vereinzelt eingeworfenen Sprachspuren. Milan Fras, sonst für donnernd-autoritäre Sangeskunst berüchtigt, nimmt sich zurück und fungiert wie in "Glück auf" als Erzähler. Der Bergmannsruf ist übrigens der einzige deutschsprachige Fetzen. Größtenteils in ihrer slowenischen Muttersprache aufgenommen, setzen sich die Künstler auf diesem Back-To-The-Roots-Album auch mit einem Land auseinander, das einst Jugoslawien hieß, und deren politische Spannungen weiland starke Antriebsfeder für die Laibach-Kunst gewesen ist.

Auch wenn "Sketches From The Red District" in einzelne Songs unterteilt ist, klingt das Album wie ein gigantisches, dystopisches Stück, auch weil innerhalb der einzelnen Parts Textpassagen, von Sängerin Mina Spiler wiederholt eingebaut worden sind. Umrahmt ist das unbehagliche, düstere Klangbild von zwei Jahresdaten - "01.06.1924"  und "27.09.1980". Man muss ein bisschen um die Ecke denken, um sich einen Reim auf diese Jahreszahlen machen zu können, denn sie verweisen auf kein (welt)politisches oder anderes Ereignis. Am 01.06.1980 wurde jedoch Laibach als Band gegründet. Man kann nur mutmaßen, dass die Jahreszahl 1924 im Hinblick auf die militaristische Ästhetik zu verstehen ist, gilt dieses Jahr als wegweisend für den Aufstieg extremer Parteien, deren Symbolik sich Laibach bewusst bedient haben, um für den erwarteten Schockmoment zu sorgen.

"Sketches Of The Red District" weist in seinem Titel überdies auf Laibachs erste Kunstperformance hin, die allerdings nie realisiert werden konnte, weil die politischen Hardliner in Jugoslawien die Band unter strenger Beobachtung stellten. Ein Grund mehr für die Musiker, sich in den folgenden Jahren weiter mit dem Tito-Regime anzulegen, was bis zur Ausweisung Laibachs aus dem eigenen Land führte (schon der Bandname allein war Provokation genug, war es doch die von der Regierung unerwünschte deutsche Bezeichnung für die Stadt Ljubiljana). Auf diesem Album nun rollen sie die Geschichte wieder auf und blicken erneut auf die problematischen politischen Spannungen jener Zeit in ihrer Heimatstadt, deren Auswirkungen sicherlich bis heute noch spürbar sind.

Für einen Mitteleuropäer, noch dazu wenn er erst später geboren wurde, mag die besondere Position Jugoslawiens heutzutage weit weg erscheinen und die Probleme dieses Landes, das nur mit Mühe und Not die verschiedenen Völker unter einen Hut zu bringen vermochte, nur noch wenig nachvollziehbar. Doch in diesem Album wird die Geschichte wieder lebendig. Es bedarf aber das nötige Hintergrundwissen, denn nur so ist man in der Lage, das neue Album von Laibach zu verstehen. Um dann herauszufinden, dass es mit das Beste geworden ist.