Nach seiner Reise in die Schwerelosigkeit, die den schwedischen Lithivm-Mastermind Gustav Hildebrand 2004 mit seinem Debut-Album „Starscape“ in unbekannte Welten, zarte Sternennebel und nicht enden wollende Weiten führte, begibt er sich mit „Primordial Resonance“ auf eine neuerliche Wanderung. Ein weiteres Mal führt ihn seine einsame Reise durch bizarre, verlassene Regionen, die schon seit langer Zeit kein Lebewesen mehr gebaren. Verlassene Städte und Dörfer, ein von amorphen Wolken durchsetzter Himmel, der die Landschaft in diffuses, unnatürliches Licht taucht, bis es der endgültigen, totalen Dunkelheit weicht. Verlassenheit, öde Leere, Zersetzung und Verfall – über allem liegt eine unergründliche, tiefe Stille. Wer auf Hildebrands Pfaden wandelt, erlebt eine intensive, außergewöhnliche Beanspruchung seiner Sinne. Inmitten einer sterbenden Welt, deren Utopien sich als katastrophale Täuschung erwiesen haben, erblickt der Mensch die Ruinen seiner Existenz, die unaufhaltsam in Vergessenheit geraten wird, und er wird sich seiner nichtigen, unbedeutenden Rolle im großen Spiel des Universums, in diesem unfassbar Großen und Ganzen bewusst. Es erwacht die Erkenntnis, dass ein Ende des Alten den Beginn einer neuen Stufe in im großen, übergeordneten Plan markiert. Während das Gehirn die optischen Eindrücke verarbeitet, registriert das Gehör eine verstörende Vielfalt an sich überlagernden, vermischenden Lauten, atonale Geräusche passieren, pulsierende, sphärische Flächen ziehen wie Nebelschleier vorbei, ein undefinierbares Summen und Brummen durchsetzt die Luft. Sanft rauschende Winde tragen das angsterfüllte Schreien eines Babys ans Ohr, das für kurze Zeit nur den Gedanken an die menschliche, lebendige Welt, die einst die Realität bedeutete, erweckt. Metallisches Klirren folgt einem surrealen Rhythmus und in der Ferne erklingt bizarr ein Windspiel. Der monotone, meditative Mönchsgesang in „Ruins of a failed Utopia“ wirkt angenehm beruhigend. Ein dumpfes Donnern, bedrohliches Rauschen, sanfte Glockenschläge, kurzes Gelächter, Stimmengewirr, das ein Lufthauch davon weht, düsteres Grollen – der Hall der Stimme des Universums, sein rhythmischer, schwerer, langsamer Atem – vielleicht sogar der erste Atemzug eines sich neu konstituierenden Universums? „Primordial Resonance“ ist der inszenierte Soundtrack zum Versinken, Hinabfallen in die Ursprünge und Anfänge, eine Wanderung an den Rand des Abgrunds, in die Unendlichkeit des Universums, eine Einladung zur Rückbesinnung auf das Elementare, Nackte, den Ur-Gedanken des Seins. Abwechslungsreich und zugleich monoton, beängstigend und entspannend, entmutigend und verzehrend. Auf keinen Fall etwas für zarte oder Party-Gemüter. Wie intensiv und stark das Album persönlich empfunden wird, hängt von Bereitschaft ab, sich fallen zu lassen, sich den Klängen zu öffnen und den eigenen Assoziationen freien Lauf zu lassen. Das besondere, wunderschön, wenngleich aufs wesentliche reduzierte Artwork der auf 1000 Stück limitierten Erstauflage unterstreicht perfekt die Atmosphäre des Albums: ein stilvoller zweifacher Folder im A5-Format, in düsteren Grau-, Schwarz- und Grünstufen gehalten. Während auf der Innenseite der Blick auf ein altes, nicht zu entzifferndes Schriftstück mit verwaschener Tinte fällt, scheint die Rückseite des Folders ein düsteres, trostloses planetarisches Szenario zu zeigen, von tiefen Kratern zerklüftete Oberflächen, übermächtig und beängstigend. Das kleine Titelbild mutet wie eine apokalyptische Vision an: Zerstörte, sich zersetzende Holzboote an einem Strand, der tiefschwarze Horizont gibt den Blick frei auf bedrohlich nahe wirkende Planeten – eine überwältigende Szenerie, deren morbide Schönheit die Farben und Freuden der modernen, sich langsam selbst zersetzenden Welt vergessen lässt.