Welch hervorragender Zeitpunkt, diese CD zu besprechen. Letzte Schneehaufen schmelzen zu glitzernden Rinnsälen, Narzissen, Krokusse und Schneeglöckchen künden vom Herannahen des Frühlings. Bereits frühmorgens erklingt aus Bäumen und Sträuchern das muntere und aufgeregte Gezwitscher der Vögel. Jede Menge frühlingshafter Vogelstimmen gibt es auf dem neuen Tonträger des amerikanisch-israelischen Duos Grundik + Slava. Das Werk mit dem bezeichnenden Titel „ ... For Electronics And Birds” ist bereits das vierte Album der experimentell orientierten Komponisten Igor Kasyansky “Grundik” und Slava Smelovsky.
Ihre musikalische Kooperation begannen die beiden im Jahre 1995, ihre ersten drei Alben wurden damals noch auf den israelischen Labels Fact Records und Earsay Records veröffentlicht. Mit dem Wechsel zum deutschen Label Stateart wollen und können sie nun erstmals ein geneigtes Hörer-Publikum auch über die eigenen Landesgrenzen hinaus erreichen. „ ... For Electronics And Birds“ umreißt bereits, worum es bei den zehn Titeln geht. Grundik + Slava haben die Stimmen vieler kleiner, gefiederter Freunde und die unverkennbare Atmosphäre der freien Natur eingefangen und mit den unterschiedlichsten Spielarten elektronischer Klangerzeugung kombiniert. Jedoch findet hier keine Verzerrung des „Natürlichen“ statt, sondern eine harmonierende Symbiose „echter“ und „künstlich“ erzeugter Stimmen. Nur bei wenigen Titeln, etwa dem wunderschönen, fast Dead can Dance-, aber auch Delerium ähnlichen „Lost Fado“ offenbart sich auch die menschliche Stimme (in Form eines vollkommenen, reinen Frauengesangs) dem Hörer.
„ ... For Electronics And Birds“ ist Ruhe pur. Einem Tempo-Rausch scheint hier niemand verfallen zu sein. Im Vordergrund steht das offen gehaltene, aber dennoch bewusst durchdachte Experiment im Umgang mit der Musik, die starke Soundtrack-Qualitäten aufweist. (Grundik + Slava komponieren übrigens auch für Kurzfilme, Installationen sowie Multimedia-Projekte). Während sich „Virola“ mit seinen düsteren, mystischen Grundstimmung wie ein Morgenspaziergang durch die noch in Frühnebel gehüllte Landschaft präsentiert, glaubt man sich bei „Music Box 1“ in die Kindheit zurück versetzt, in der die traditionelle Spieluhr mit ihremoft blechernen, leicht „verzogenen“ Klang noch einen persönlichen Wert besaß. „Pianka De Golenia“ wiederum ist „Music for Bars“, folkloristisch angehaucht, voller Lebendigkeit, mit einem ruhelosen Bass und Zieharmonika-Atmosphäre. Und immer wieder dazwischen: Vogelgezwitscher, Enten- und Gänse(?)-Geschnatter, und das leise, stetige Atmen der Natur.
„Rain Music“ besticht durch seine Schwermütigkeit, einem Anflug von Traurigkeit. Wie Regentropfen fallen die elektronischen Kling-Klangs durch den Äther, die perkussiven Elemente erinnern an Pferdegetrappel, das immer schneller, immer fester, wird. Auch die Dichte der elektronischen Regentropfen steigert sich stetig und wächst zu einem heftigen, kurzen Platzregen. Erst nach und nach wagen sich die ersten Federtiere wieder hervor. Am Ende schließt sich der Kreis, „Inarticulate Pattern“ nimmt die Melodie-Strukturen des ersten, epischen Titels „Pattern in Time“ wieder auf und entlässt den Hörer langsam und sanft in seine eigene Wahrnehmung der Wirklichkeit. Der süße, pummelige gefiederte Freund auf dem Cover des schlicht-weißen Digipacks macht Lust auf die Jahreszeit, die sich hoffentlich bald in voller Pracht entfaltet – denn ohne ihn wäre der Frühling nur halb so schön.
Betont minimalistisch wie die Musik ist übrigens auch die Verpackung. Booklet gibt es keines, dafür empfiehlt sich die Homepages der Künstler für weitere Informationen.