„Bitte zurücktreten“: diese knappe Aufforderung prangt zusammen mit dem Bandnamen Genetiks und drei Herren selbst auf dem minimalistischen schwarz-rosa gehaltenen Cover und bereits hier wird klar – es wird keine ernsthafte tiefgründig-philosophische Verarbeitung weitreichender Themen in musikalisch schwer verdaulicher Form folgen. Das sieht schon jetzt punkig, peppig und sich selbst nicht ganz ernst nehmen aus. Und richtig – was die Nürnberger hier auf ihrem zweiten Album zusammengespielt haben knallt ordentlich und wird jede Menge Fans finden. Warum das so ist und warum ich kein Fan sein werde? Lest einfach weiter. Post-Punk der einfachen und genialen Art. Hier machen die Herren keine Kompromisse. Verwendet werden die Standart-Instrumente E-Gitarre, Bass und Schlagzeug. Doch Keyboards sind ständig präsent und sorgen für einen ganz eigenen Klang irgendwo zwischen Punk und Wave der 80er. An einigen Stellen fühlt man sich sogar wirklich fast dreißig Jahre zurückversetzt, Bands wie X-Mal Deutschland und Abwärt kommen mir da in den Sinn. Doch Genetiks sind kompromissloser – ihre Musik ist eine Abrissbirne, die erbarmungslos alles abräumt und nicht zum Stillstand bereit ist. Man hat alle Melodien und deren Instrumentierung gewiß schon mal gehört, aber sicherlich nicht so konzentriert auf das Wesentliche und so erbarmungslos hart. Kurz – man will sich sofort bewegen, tanzen, pogen und bloß nicht still sitzen müssen. Hut ab für eine solche Leistung. Und auch der Gesang gefällt mir ohne wenn und aber. Passt einfach wie Faust aufs Auge. Warum ich das Album aber nicht auf Dauer ertrage? Obwohl musikalisch alles so genial richtig ist störe ich mich einfach zu sehr an den Texten. Die Band versucht, im Stile der Neuen Deutschen Welle etwas dadaistisch zu texten, die Textfragmente ständig zu wiederholen und thematisch zwischen Irrsinn und leichter politisch/sozialkritischer Note zu schwanken. Das kann gut gehen, wie beim Opener „Astronaut“, der wenigstens ansatzweise so wirkt, als ob man sich etwas damit beschäftigen könnte. Oder es gibt Texte wie bei „Natürlich“, die eben einfach da sind um einen Grund zu geben, dass der Gesang erklingen kann (der so ungemein wichtig für das musikalische Gesamtbild ist). Aber dann sind da einfach haufenweise Texte wie „Sonderschuhe“ oder „Bello“, die mich einfach nur ungemein stören. Ich will den Sängern wirklich gerne nicht verstehen müssen, denn dann wären Songs super. So habe ich aber geile Mucke und verstehe einen solchen Mist, dass ich die Mucke nicht genießen kann. Vielleicht wollen Genetiks mit diesem sehr vereinfachten Textkonzept erreichen, dass man zu ihrer Musik auch bei 2,3 Promille sauber mitgrölen kann. Dann müssten sie sich aber auf Themen und klangvolle Sätze beschränken, die zu der harten Musik passen. „Zwei Schritte“ und „Du kommst in der Nacht“ passen ideal in das Schema, aber ich werde wohl nie bierseelig pogen ung folgendes grölen: Ich nenn dich Bello Du bist so heiß Ich nenn dich Bello Mach jetzt keinen Scheiß Naja, vielleicht ist es den meisten auch gänzlich egal, was da gesungen wird, und ich bin nur wieder so mäkelig. Aber es nervt unglaublich und ich muss mehr als die Hälfte der Lieder skippen, weil ichs nicht ertrage (fast wie bei Lacrimosa, hihi). „Bitte zurücktreten“ sollte man sich anhören, wenn man die Zeit liebte, als sich einige Punkbands Richtung NewWave orientierten, wenn man alles, was etwas punkiger ist, mag und wenn man Spaß haben will. Die Musik ist geil, schnell und schonungslos gut. Und wenn die Texte nicht wären, würde es hier mindestens 5 Punkte geben. So gebe ich 4 (weil es nicht jeden stören wird) und denke mir insgeheim, dass es für mich nur 3 sind. Und nun „bitte zurücktreten“.