Wie die Zeit doch verfliegt... Noch immer gehört "The Dividing", das zweite ANDROID LUST - Album (und im Übrigen dereinst mein erstes Review für den Medienkonverter), zu den CDs, die im Regal kaum dazu kommen, Staub anzusetzen. Und jetzt steht schon wieder der Nachfolger in den Startlöchern, bereit, um die Gunst der Hörer zu buhlen und hoffentlich einmal mehr musikalische Akzente zu setzen. In der Tat, die Zeit ist schnell verstrichen, wenn man sich vor Augen führt, daß zwischen "Devour, Rise And Take Flight" und seinem Vorgänger doch insgesamt drei Jahre liegen, die AL-Frontfrau / -Mastermind Shikhee durchaus zu nutzen wußte. Und so setzt das aktuelle Album dann auch den schon mit "Dividing" eingeschlagenen Weg fort in Gefilde, in denen das Feld der Inspirationen und musikalischen Möglichkeiten weit und (sucht man stilistisch ähnlich gelagerte Bands und Projekte) vergleichsweise dünn besiedelt ist. "Björk, mit Glasscherben spielend" steht in kleinen Lettern auf dem riesigen Aufkleber, der unlösbar das ansprechend gestaltete Cover des CD-Digipacks verunstaltet, und, so sehr diese Art von Vergleichen für gewöhnlich auch zu hinken pflegt, eines ist sicher: Zumindest im Hinblick auf ihre Kompromißlosigkeit bezüglich der eigenen musikalischen Ideen scheinen die isländische Indie-Rock - Prinzessin und die New Yorker Industrial-Poetin Schwestern im Geiste zu sein. Diese Kompromißlosigkeit strahlt "Devour, Rise And Take Flight" aus, von der ersten bis zur letzten Sekunde - Grenzen kennt die sympathische Musikerin offensichtlich keine, weder hinsichtlich stilistischer Einflüsse und Instrumentierung noch der Emotionen und Inspirationen, die die Seele ihrer Kreativität ausmachen. Und so schlägt auch dieses Album über weite Strecken in diesselbe Kerbe wie sein Vorgänger, konfrontiert den Hörer mit anspruchsvoller, sperriger Musik, die Kopfhörer, Zeit, Geduld erfordert. Dann aber hört man recht schnell die drei Jahre Arbeit, die in "Devour..." stecken: Songs wie das entspannt, fast schon hypnotisch wirkende "Wicked Days" (bei dem Shikhee einmal mehr zeigt, daß ihre Stimme auch ohne Verzerrer oder andere Effekte unglaubliche Wirkung entfalten kann) oder das elektronische, voll und ganz tanzflächenkompatible "Hole Solution" gehören zu den eingängigsten, kompaktesten Stücken, die wohl jemals unter dem Namen ANDROID LUST zu hören waren. Direkt gegenüber stehen der Opener "Lover Thine" oder die erste Single "Dragonfly" (nicht nur des gelungenen Videos wegen die konsequente Fortsetzung von "Stained") - mit harten Gitarren angereichert, kalt, industriell, aggressiv. Den Raum dazwischen füllen Tracks wie "The Body" (ein wilder Trip zwischen wütenden, gitarrenlastigen Parts und melancholischen Akustikpassagen), das vergleichsweise minimalistische "Sense Of It All" oder "Thomael", ein Industrial/Noise - Instrumental, das auch ganz gut auf die frühen AL-Veröffentlichungen gepaßt hätte. Irgendwann nähert sich der Laser dann langsam dem Außenbereich der CD, treibt der Hörer durch die sanft und trotzdem beklemmend wirkenden Ambient-Welten von "Unrecognize", bevor erst einmal wieder Stille herrscht, die vielfältigen und facettenreichen Stimmungen der Musik zurückbleiben, während die Töne langsam in Raum und Zeit verklingen... Alles in allem ist festzuhalten: Die Aufgabe, ihre mit "Dividing" selbst sehr hochgesteckte Meßlatte zu überbieten, hat Shikhee mit Bravour gemeistert. Einmal mehr formt sie aus Gedanken, Fantasien, Träumen intensive Texte und fesselnde Musik, einmal mehr gelingt es ihr, eine CD wie aus einem Guß zu kreieren, abwechslungsreich und originell zwischen eingängig und komplex, aggressiv und melancholisch, noisig und melodisch, und zu jeder Sekunde charakteristisch für ANDROID LUST. Einmal mehr ist das Endergebnis absolut und uneingeschränkt empfehlenswert für all jene, die sich für interessante, schubladenfreie Musik begeistern können, für das Album Zeit haben und nehmen. Andererseits, um den Bogen zu schließen, muß man kein Björk-Fan sein, um "Devour, Rise, Take Flight" zu mögen - aber schaden kann es auf keinen Fall. Bleibt zu wünschen, daß das Projekt mit diesem Werk sich endlich auch in Europa mehr Gehör verschaffen kann - falls nicht, so liegt es mit Sicherheit nicht an der Qualität der Musik...