Die aus Köln stammende Formation Geist legt mit "Für alle Zeit" ihr Debut vor. Damit man sich nicht blind ins Gefecht stürzen muss, wird noch schnell mal der Promo-Text und die Biographie gelesen. Neben einer vorhandenen aber eher zurückhaltenden Lobpreisung der Band werden Vergleiche mit Tool, Heppner (Stimme), Pearl Jam (Stimme), Monster Magnet und System of a Down herangezogen und weil ich alle Gennanten mehr oder weniger gerne höre und mit der vorliegenden CD vergleichen konnte, würde ich bis auf Kleinigkeiten alles bis auf eine Band streichen. Geist machen harte Gitarrenmusik mit typischer Besetzung (Vocals, Gitarre, Bass und Schlagzeug), die Texte werden auf deutsch vorgetragen und der Grund, warum mir die Bewertung so schwer fiel ist, daß der Name Tool sehr oft fallen wird und ich mir nicht sicher bin, ob das nun gut oder schlecht ist. "Wer, wenn nicht ich" beginnt mit kleinerer elektronischer Einlage und ein paar Percussions, nach wenigen Sekunden setzen die tonnenschweren Riffs ein und beim ersten Durchlauf schreckte ich hoch, weil ich nicht sicher war, ob das die richtige CD/Band ist. Stimmung, Drumming und Gitarren/Bassverläufe erinnern an frühe Tool in der "undertow"-Phase. Der daraufhin einsetzende Gesang läßt schnell klar werden, daß ich die richtige CD eingelegt habe, denn Tool mit deutschen Gesang ist ja eher selten (Bis auf kleinere Satanseier). Und dieser Sänger, Fares Rahmun, hat es wirklich in sich. Jedem, der sagt, daß er zu gefühlsbetont und übertrieben singt/haucht/brüllt und jammert, kann man Recht geben. Aber nach mehrmaligen Durchhören gefällt mir sein Gesang immer mehr - die Texte sind nicht wirklich dem Songaufbau angepaßt, sodaß Rahmun häufig Teile herunterleiert um dann wieder einzelne Silben in die Länge zu ziehen. Seine Stimme hat dabei ein ähnliches Timbre wie die von Eddie Vedder von Pearl Jam, sein Stil ist eine Mischung aus eben genanntem und dem von Maynard James Keenan von Tool. Es ist nicht jedermanns Geschmack, aber singen kann er definitiv. Und auch der Rest der Band steht dem Fronter in Sachen Talent und Können in nichts nach. Alles ist unglaublich tight zusammengehalten, die einzelnen Bandmitglieder lassen ihre Instrumente wunderbar mit einander harmonieren, knüppeln sich durch schnelle Parts um im nächsten Moment Ruhe, Melancholie und Sanftheit zu verbreiten. Es ist eine Freude, eine Band auf diese Weise zusammenarbeiten zu hören und in diesem Genre fällt mir da nur eine Band ein, die dies auch so (und noch besser) hinbekommt ... (Nun darf geraten werden, welche das sein könnte...) . Da die Texte bei dieser Band wichtiger Teil des Gesamtkonzeptes sind und man bei deutschen Texten immer so schwer weghören kann, kommt man nicht umhin, ihnen einen hohen Stellenwert in der Gesamtwertung zukommen zu lassen. Genau wie die Musik selber, erschließen sich einem die Texte nicht beim erstem Hören, sind verschachtelt und nicht einfach heruntergeschrieben. Zu Gute halten kann man der Band, daß sie fast immer ohne Verwendung von verbalen Kraftausdrücken und platten Phrasen auskommen. Es dreht sich meist um die Themen vergangene Liebe, Einsamkeit und ständige Selbstreflexion, was mich nach einer Weile gestört hat und irgendwie wünsche ich dem Sänger Rahmun mal andere Gedanken in den Kopf, denn das wird doch irgendwann mal langweilig. Außerdem denkt der Zuhörer bei der xten wütend-und-ganz-schnell-wieder-ganz-traurig Phase: "Ja, ist ja gut", wenn sich der Sänger immer und immer wieder in Selbstmitleid suhlt. Besonders schade ist dies, da die Musik, die zum jeweiligen Text in Geschwindigkeit und Art passend variiert, zum Teil richtig gut ist. Häufig habe ich mich dabei erwischt, mitzuwippen und zu genießen, nur leider fühle ich mich bei Rahmun's Gesang immer verpflichtet, mich dem dem Gesang/dem Inhalt zuzuwenden und dann kann ich nicht mehr den Melodien und dem wunderbare Zusammenspiel der Instrumente lauschen. Denn in Momenten, in denen der Gesang nicht ganz so hervorstechend ist ("So viele wie du" und "Einssein") und auch mehr melodieunterstützend wirkt, habe ich die gleichen Glücksgefühle wie beim Durchlauf von Tool-Alben und bin begeistert von Geist (Jaja, ich weiß schon : beGEISTert...HöHöHö). Der Vergleich mit der "undertow"-Platte ist auch durchaus gerechtfertigt, denn ich habe mich extra wegen der Review nocheinmal durch diesen Brocken durchgehört und einige Parallelen in Stimmung, Spiel und Rythmus/Tempowechseln entdeckt. An manchen Stellen ist das Riffing einfach so herausragend gut, wie zum Beispiel in "Wertvoll", das sehr heftig in Stoner-Rock-Gefilden Marke Spiritual Beggars oder alte Fu Manchu kreist und einfach nur Spaß macht (und bei dem der Text mir sogar recht gut gefallen hat - habe ich ihn doch auch mal schnell verstanden). Am Rande erwähnt : die Band kommt natürlich nicht umhin, auch einen 'hidden track' einzubauen - einfach "Einssein" bis 13:50 min vorspulen und einen älteren Track der Band hören. Lohnt aber nur bedingt. Die CD kommt mit einem sehr netten Cover her, vornehmlich schwarz mit dem Namen der Band, in dem sich die Gesichter der Bandmitglieder verstecken. Auch das Booklet selber ist recht schick, die Fotos finde ich sehr gelungen und passend aber es hagelt zwei Minuspunkte : 1) Die Texte sind in Blocksatz abgedruckt, die Refrains nur je einmal an das Ende gesetzt und nicht alles, was Rahmun singt habe ich beim Mitlesen gefunden (und nach mehrfacher Suche bin ich mir sicher, daß das nicht an mir liegt und meinem Unvermögen, ganze Sätze zu lesen...) und das ist bei einer Band, die den Gesang und die Texte scheinbar für so wichtig hält irgendwie seltsam. 2) Und außerdem habe ich als alter Fan von Verschwörungstheorien gewisse Ähnlichenkeiten bei der Coverfarbwahl und dem -aufbau zu Tool's "undertow"-Release entdeckt, was ich ob der restlichen Ähnlichkeit zu dieser Platte einfach belustigend finde. Und nun muß ich bewerten und weiß nicht so wirklich, wie ich das tun soll : Als Akkustik-Platte würde die CD satte 5,5 Punkte kriegen, der Gesang und vor allem die Texte drosseln das Vergnügen, das Können der Musiker drückt wieder nach oben, viele nervige Passagen halten dagegen, die Sache mit Tool ist einerseits toll, weil es mehr Bands in dieser Richtung geben sollte und Geist keinen schlechten Versuch gestartet haben aber andererseits doch häufig allzu ähnlich vorgehen. Deswegen gibt es 4,0 Punkte und volle gedrückte Daumen für eine erfolgreiche Zukunft, andere Lebensthemen und etwas mehr Eigenständigkeit in den Kompositionen. Das Presseinfo schreibt noch "Musik, die durch den Bauch in den Kopf geht" : Das assoziiere ich aber mit einer eher unangenehmen Tätigkeit nach'ner durchzechten Nacht und das hat die Band gewiss nicht gewollt und auch nicht verdient denn eigentlich ist es ja eine durchaus gute CD.