Der Konjunktiv ist wohl die am häufigsten gebrauchte Grammatikform, wenn es darum geht, die Karriere von Final Selection zu beschreiben. Denn hätte die Synthie-Pop-Gruppe aus Plauen nicht so unendlich viel Pech mit den Labels gehabt, die sie unter ihre Fittiche genommen haben, wäre sie eventuell erfolgreicher gewesen. Man muss sich diesen Werdegang einmal auf der Zunge zergehen lassen: 1993 fanden Riccardo Schult und Mario Tews zusammen und ließen erst einmal zehn Jahre verstreichen, um ihren Sound reifen zu lassen (die ersten Aufnahmen erschienen in Kleinstauflage und Eigenreigie). Das Ergebnis präsentierten sie auf ihrem Debüt "Antihero", das Midtempo-Elektronik mit breitwandigen Sequenzen und sonorem Gesang perfekt vermischte. Nach einer weiteren EP kam ein Jahr später der große Wurf mit "Meridian", einem akustisch wie visuell überbordendem Album, das den Klangkosmos von Final Selection weiter definierte und die Band aus Tausenden herausstechen ließ.

Die erste Erfolgsstory endet aber abrupt, da die damalige Plattenfirma Black Flames wegen Misswirtschaft schließen musste, was das Projekt in ihrer Entwicklung zurückwarf und "Meridian" quasi untergehen ließ. 2008 dann der zweite Anlauf. "Clockworks" entpuppte sich als stimmiger Nachfolger, bei dem der typische Final Selection Sound zur Geltung gekommen ist und sie den Beweis lieferten, dass sie ihre Arbeitsweise konstant weiterverfolgten. Doch auch Flash Pop Media, die das Album herausbrachten, machte die Grätsche und ließ eine ratlose Band zurück, die einmal mehr ihre wunderbaren ätherischen Sounds nicht an den Mann bringen konnten.

In den kommenden 15 Jahren war von den Jungs nicht viel zu sehen. Einige Liveauftritte in den 2010ern belegten, dass sie noch irgendwie existierten, doch der Ausstieg von Mario Tews 2015 machte die Hoffnung zunichte, dass von dieser vielversprechenden Band noch irgendwas kommen würde. Final Selection war wie ein Patient, der an ganz vielen lebenserhaltenden Maschinen angeschlossen wurde.

Aufgeben war aber anscheinend nie eine Option - und die Beharrlichkeit zahlt sich aus. Riccardo, der zurückgekehrte Mario sowie die neu dazugestoßenen Juri Köcher, Patrick Dorn und Falk Schilling sind nun bei Infacted Recordings untergekommen, dessen Leumund unzweifelhaft ist und aus vertrieblicher Sicht endlich die Stabilität garantiert, die sie zuvor nicht hatten. Viel wichtiger aber ist, dass sie trotz der langen Auszeit weiter an ihrem Sound festhalten. Denn er besitzt eine Zeitlosigkeit, sodass auch "Siren's Call", das erst vierte Album im 30. Bandjahr, einmal mehr großartige Momente für den Hörer bereithält.

Harte Beats sind ihre Sache nicht. Eher konzentriert sich das Quintett auf sanftvoll drückende Bassdrums, die von arabesken, kaskadenartigen Synthesizerspielereien umflort werden. Besonders auffällig ist aber wieder einmal Riccardos Gesang, der im Gegensatz zu anderen Synthie-Pop-Bands nie so weit in den Vordergrund gedrückt wird, sondern sich nahtlos in die Klanglandschaft einfügt. Was aber nicht bedeutet, dass die Lyrics weniger wichtig seien. Ganz im Gegenteil: Wer das Glück hat, das Album "Meridian" sein Eigen zu nennen, weiß, dass die Texte in ihrer Wichtigkeit der Musik in nichts nachstehen. Stücke wie "Divided We Fall" oder auch das vorab veröffentlichte "Beyond My Dreams" offenbaren einen weiteren Trumpf der Band: ihr Gespür für Akkordfolgen, die so eingängig wie wehmütig sind. Das zieht sich durch alle Songs, was der Platte eine angenehme Homogenität verleiht, die an keiner Stelle in Langeweile umschlägt. Dafür sind die Stücke einfach zu detailverliebt produziert.

"Siren's Call" ist ein klares Ausrufezeichen und ein gelungenes Comeback einer extrem talentierten Gruppe, die es jetzt, im dritten Anlauf, endlich schaffen sollte, breite Aufmerksamkeit zu bekommen. Denn das Plauener Projekt ist so unverwechselbar und einzigartig, dass man in naher Zukunft sagen kann: "Band XY kupfert von Final Selection ab". Dafür müsste es aber dieses mal auf allen Ebenen reibungslos funktionieren. Doch der Konjunktiv hat jetzt Pause: Mit "Siren's Call" starten Final Selection endlich durch. Punkt.