Engelsstaub - dieser Name rief Erinnerungen wach. Jetzt nicht unbedingt die allerbesten, aber immerhin hatte sich der Name des Projektes, das seit im Musikgenre epischen 27 Jahren besteht, in meinen Hirnwindungen festgesetzt. Ich hätte zwar keinen einzigen Titel benennen können, den ich Engelsstaub zuordnen kann, aber nichtsdestotrotz war der Bandname in Erinnerung geblieben. Nur die ersten beiden Alben hatte ich gehört ... und nicht gekauft. Seit 20 Jahren habe ich sicherlich gar nichts mehr mitbekommen von Engelsstaub und las nun, dass in der Zwischenzeit und mit großen Abstand zueinander zwei weitere Alben veröffentlicht wurden, zuletzt 2011. Und dieser Tage vorliegendes Werk 'Mater mortis', ein schräger Bastard aus SynthPop, (Dark)Wave, Neoklassik und Elektro.

Ich gestehe: ich habe ein Faible für Alben, die sich nicht auf ein Soundschema festlegen und die vor allem den Mut haben, recht schräg daherzukommen. 'Mater Mortis' ist genau wie das Debüt 'Malleus Maleficarum' und sein Nachfolger 'Ignis Fatuus: Irrlichter' sehr abwechslungsreich und eine eigenwillige Erfahrung. Nach einem kitschig schönen Darkwave-Intro mitsamt Chorgesang erinnert die Elektronik in "Knock Knock" an das 'Bach Project' von Die Form. "La Ilorona" bietet wavig-elektronische Tanzbarkeit gekreuzt mit einer Erinnerung an die Stimmung der ersten Weltenbrandalben, "Wesen" ist ein typischer Goth Rock Song der 90er. Wir begegnen in "Midnight" dem pompösen Klassiker "Dance or die" mit Verweisen auf The Fair Sex und bei "About ghouls" wunderbar abwechslungsreich aufgebauter Elektronik. Das war die in meinen Ohren erstaunlich starke erste Hälfte. Mit "Blocksberg" werde ich nicht wirklich warm, etwas zu schnarchig, die Texte eher mit Fremdschamgefahr. "What i do in the shadows" braucht leider recht lange, um wirklich loszulegen, erinnert mich dann im Sound erneut an die Form, diesesmal an die frühe Phase und kombiniert einen barocken Refrain mitsamt Cembalo mit spannend abgehakt klingender Elektronik. "Paranormal activity" wummert angenehm instrumental vor sich hin und beendet die nur noch nette Albummitte bevor es dann entgültig abwärts geht. "Childs play" ist eine Kindermelodie mit AbzählreimSprechgesang, Kinderchor und dem Klock Sound, das man mit dem Verschwinden von "Da da da" von Rheingold tot gehofft hatte. Ja, passt alles zur Idee des gruseligen Kinderliedes, macht das Stück aber nicht gut. "Dance with the dead" könnte eine nette Blutengel-like-Nummer sein, wenn da nicht die wenig gelungene Gesangslinie mit 2 bis 3 schiefen Tonquerschlägern wäre. Wirklich schade! Kurz vor dem Ende weiß auch "a hounted house" nicht so recht, wohin mit sich. Ein wenig The devil & the universe, dann A-ha, etwas schiefe Cabaret-Töne und 90er Eurotrash Elektronik. Wie ein Schoko-Pudding mit Kochreis, Spiegelei und Kapern. Alles für sich nett, im Gemisch zu extrem. Und "the crooked man" ist auch nur irgendwie ein Outro: Ambientklänge, spoken word bla bla und ein Anklingen eines weiteren Songs, der aber ganz schnell wieder abebbt.

Ich glaube, fast jedes Lied auf 'Mater mortis' könnte mir gut bis sehr gut gefallen, in jedem Song stecken witzige Ideen. Doch ist das Songwriting nicht in der Lage, die vielen Elemente der einzelnen Songs, die Klänge aus unterschiedlichsten Richtungen stimmig zusammenzuführen. Ich denke da an kleinere Bands wie Tonal y nagual oder The surreal funfair oder an die großartigen Werke von Stillste Stund, in denen schräge Kunst mit Tanzbarkeit, Pop mit Kammermusik. Elektronik mit Spinnereinen gekreuzt wurden und etwas ganz Aufregendes entstand. Vorliegendes Album spricht die selben Synapsen an, aber nie so gelungen. Und die Vocals und zum Teil fürchterlich(kitschig(en) Texte schießen das Album für mich dann entgültig aus dem Bereich empfehlenswerter Kost, sind sie doch im besten Fall okay und oft ein Grund, die Mimik zu verziehen oder sich fremdzuschämen.

Es ist ein Album. Viele nette und gute Ideen befinden sich auf diesem Album. Man gab sich sicherlich sehr viel Mühe. Gewiß auch beim (in meinen Augen ganz grausigen) Coverartwork. Die Band ist ungemein beständig und ich vermute ein Fanlager, dass meinen Zeilen nur zu gerne widersprechen möchte. Aber ich kann Engelsstaub auch 2019 nicht wirklich mögen. Dazu hapert es an zu vielen Stellen.

 

Engelsstaub

Mater mortis

 

18.10.2019

Broken Silence

 

https://www.engelsstaub.de/

 

01. Intro: Darkness falls
02. Knock knock
03. La llorona
04. Wesen
05. Midnight
06. About ghouls
07. Blocksberg
08. What I do in the shadows
09. Paranormal activity
10. Child’s play
11. Dance with the dead
12. A haunted house
13. Epilogue: The crooked man