Na, das passt doch wie die Faust auf möglichst viele Augen mitten in die besinnlichen Vorweihnachtsschlachten überfüllter Warenhäuser kurz vor Ladenschluss. „Ich bin zwar tot, aber ich hatte Vorfahrt“. Ja geil, haste Recht gehabt, Und jetzt? Die aktuelle Auskopplung "Skalitzer Straße" vom aktuellen Album "Trips&Ticks" von Grossstadtgeflüster ist auf den ersten Blick eine Bazooka-geladene, sarkastische Widmung an die wutschnaubende Hauptverkehrsader Kreuzbergs.

Auf einem 75bpm schweren Elektro-Hiphop-Beat geht es um Ellbogen und Platz, grüne Ampeln, grelle Halluzinogen-Scheinwerfer, Rücksichtslosigkeit und Rücklichtlosigkeit und darum, alles wegzuhupen, was einem den direktesten Weg zum Ziel versperrt. Das machen die anderen schließlich auch so… Und über allem erklingt Darwins Superhit "Survival of the Fittest". Dahinter steht eine lustvoll desillusionierte Beobachtung und zynische Abrechnung des Menschen und seinem besten Freund, dem Ego.

Eine sauber gereimte Verhaltensanalyse zielstrebiger Einzelkämpfer, die vor allem eins haben: Recht. Und was Recht ist oder rechtens, hat nicht selten mehr mit Selbstgerechtigkeit als mit Gerechtigkeit zu tun - und das bestimmt seit eh und je der Stärkere. Unterm Strich ein morbider Abgesang auf die eigene Spezies, deren Vertreter sich derzeit durch ihre Teilnahme an Kloppereien vor den Grabbeltischen des Winterschlussverkaufs, bei 'Fridays For Hubraum' oder bei Sturmläufen gegen Veggie-Days in den Kantinen dieser Republik selbst disqualifizieren.
 
Und damit das Bewegtbild in Sachen Ballerei auch Text und Sound nicht hinterher hängt, haben sich Grossstadtgeflüster mit dem Actionfilm-Regisseur Christian Alvart einen Großleinwand-Fachmann für das Video zu "Skalitzer Straße" ins Boot geholt. Herausgekommen ist ein wahrhaft explosiver Mini-Actionfilm - inklusive Verfolgungsjagden, herumfliegenden Menschen, Armeen, Shoot Out, tiefenentspannten Wohlstands-Zombies und einem vermeintlich friedensstiftenden Waffendealer, der sich dann wundert, dass damit geschossen wird. Irgendwie gar nicht so realitätsfern, wenn man sich das aktuelle, innen-, außen und weltpolitische Kino mal so vor Augen führt.
 
Aber man findet bei all dem wie immer keinen moralischen Zeigefinger, denn Grossstadtgeflüster zeigen nicht auf andere, sie inkludieren sich in ihren Beobachtungen. Keine Wertung, nur Erzählung. Die Wertung liegt beim Hörer und hält die drei zwischen Nächstenliebe und Misanthropie hin- und herpendelnden Verweigerungskünstler*innen aus Berlin in keinem Fall davon ab, sich weiterhin gut selbst zu unterhalten und regelmäßig auf ihre Kindergeburtstage für Erwachsene einzuladen. Zum Beispiel im Frühjahr 2020 auf ihrer "Trips&Ticks"-Tour (bei der, just saying, die ersten Dates bereits ausverkauft sind).