Eisbrecher - Kaltfront°!

Eisbrecher - Kaltfront°!

Es ist das Album eins nach dem Weggang von Noel Pix, der seit Beginn von Eisbrecher gemeinsame Sache mit Alexander "Alexx" Wesselsky gemacht hat. Die Aufgabenteilung war klar: Noel war der Produzent, Alexx die Rampensau und das Gesicht der Band, die sich im Bereich der Neuen Deutschen Härte (auch wenn sich die beiden nie diesem Genre zugehörig fühlten) eine führende Rolle erspielte. Damit endete auch eine Jahrzehnte lange Arbeitsgemeinschaft, die ihre Anfänge bereits bei Megaherz hatten, welche auch von Alexx zvor gegründet worden ist.

Arbeitsgemeinschaft ist übrigens als Wort bewusst gewählt, denn die beiden waren nie wirklich best buddies, aber loyale Geschäftspartner. Doch, so hat es der Frontmann in einem Interview gesagt, sei diese Trennung schmerzhaft aber notwendig gewesen. Denn bereits während der Arbeit am Vorgänger "Liebe macht Monster" gingen die Ideen, wie Eisbrecher zu klingen hat, immer weiter auseinander. Das berufliche Ende geschah in beiderseitigem Einvernehmen und ohne Störgeräusche - durchaus nicht die Regel im Musikbiz.

Mit "Kaltfront°!" konnte Alex Wesselsky nun das erste Mal seine musikalischen Ideen umsetzen, ohne dabei Kompromisse eingehen zu müssen. Und so navigiert Kapitän Alexx den Eisbrecher also ohne seinen früheren Steuermann. Ob das gut geht?

Bei diesem Album jedenfalls kann konstatiert werden, dass sich der Sound im Vergleich zum Vorgänger um einiges erdiger und gitarrenlastiger geriert. Wo Pix eventuell mit kantigen Beats alles daran setzt, die Tanzflächen der Gothic-Clubs anzuvisieren, sind nun eher eingängige und glatt produzierte Stücke zu hören. Wie bei "Die Hoffnung stirbt zuletzt", einem gefühlvollen Song (Gastsängerin Sotiria hat da auch ihren Anteil dazu beigetragen), den man auch als langsame Ballade hätte arrangieren können. In so einem Moment besitzt Eisbrecher fast schon unheilige Radioqualitäten.

Wesselskys Kernkompetenz bleibt aber nach wie vor die ironisch aufgeladenen Gesellschaftskritken. Wie in "Waffen, Waffen, Waffen", bei dem das lyrische Ich unter bratzigen Gitarren den Spiegel einer verrohten Menschheit vorhält. In ähnlicher Weise greift auch "Das neue Normal" die veränderte Weltordnung auf. Besonders hervorzuheben ist jedoch "Satt", welches kompromisslos die saturierte Gesellschaft perfekt karikiert. Eisbrecher hat sich in diesem Punkt offensichtlich nicht verändert und ätzt weiterhin gegen den status quo - und das ist auch gut so.

Aber hätten die frühreren Eisbrecher jemals "Tränen lügen nicht" von Michael Holm gecovert? Ganz abgesehen davon, dass dieser Schlagerschinken immer noch einer der schönsten überhaupt ist (keine Ironie!), so wären Alexx und Noel damals nicht weiter von dieser Musiksparte weg gewesen. Aber auch auf "Kaltfront°!" wirkt diese Neuinterpretation äußerst exponiert. Das Stück klingt wie eine kleine Studioimprovisation nach einer langen Aufnahmesession. Der Sänger wird nur von einem Piano begleitet und singt diese gefühlvollen Zeilen mit einer unterschwelligen Wut. Keine schlechte Neuinterpretation, allein: Sie wirkt wie ein Fremdkörper auf diesem Album.

Vielleicht sind das aber genau diese Experimente und der Versuch einer Neuorientierung innerhalb des Eisbrecher-Kosmos, die Alexx machen muss, um sich von seinem alten Kompagnon stilistisch zu trennen und auch um seinen eigenen künstlerischen Ausdruck zu finden. Das mag schlussendlich auch der Grund sein, warum sich noch nicht alle Songs in Gänze schlüssig anfühlen. Die Energie und sprachliche Raffinesse jedoch hat nichts von ihrer Eindringlichkeit eingebüßt. Unter dem Strich ist die Kaltfront gar nicht so eisig, wie sie es vorzugeben scheint.

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