Eine an C. D. Friedrich erinnernde Fotographie: Meer und Himmel in rot gehüllt, die letzten Reste der Sonne verschwinden am Horizont. Dazu ein Wort: ‚Freiheit‘. Sehr konsequent bedienen Dornenreich ein (kitschiges?) Sinnbild für ihre nach 18 Jahre Bandaktivität angekündigte Schaffenspause. Ein Abschluss, ein Aufarbeiten der letzten Jahre und die reine Sehnsucht prägen ein Album, das Aufbruch und Stillstand in sich vereint. Fast habe ich das Gefühl, dass Eviga das Album mehr für sich als für die Hörer geschaffen hat um einen Prozess zu beenden. Eine Besonderheit bietet das Album: Jedes der bisherigen 7 Alben bot mit dem Erscheinen eine weitere Facette, ein neues Element im Sound von Dornenreich. Von den metalligen Anfangstagen der Alben eins bis drei, über die immer mehr in Traumwelten wabernden ‚Hexenwind‘ und ‚Durch den Traum‘ und das folgende, akustische ‚In Luft geritzt‘ bis hin zum neuen und anders klingenden Metall in ‚Flammentriebe‘ – die Österreicher schafften es immer, unter Verwendung anderer Instrumente oder Motive ganz sie selbst zu sein. ‚Freiheit‘ aber ist der angekündigte, musikalische Abschied und Eviga nutzt hierfür die Motive der letzten 4 Alben. Das mag zunächst ungewohnt sein und schnell lässt es die Vermutung zu, hier nur ein lauwarmes Süppchen bekannter Zutaten zu hören. Doch das Album braucht einfach etwas Zeit. Geben wir sie ihm. Eingeleitet wird ‚Freiheit‘ mit drei akustischen Stücken, in deren Sound sich der flüsternde Eviga deutlich wohl fühlt (und die in meinen Ohren besser funktionieren als noch bei ‚In Luft geritzt‘). Live aufgenommen und die Akustikgitarre und Violine im Fokus sind es anstrengende Minuten des Lauschens – die Texte und die abwechslungsreichen Melodieentwicklungen greifen wundervoll ineinander, der Hörer wird gefordert und es sind die kleinen Geschwindigkeitsbrüche, das Spiel mit „Laut und Leise“ und die immer wieder greifbare Energie, die die Songs mitreißend wirken lassen. „Des Meeres Atmen“ beendet den stromlosen Teil des Albums fast schon besinnlich – Meeresrauschen verweist auf das Artwork und Eviga lullt den Hörer ein. Doch dann strömt Unruhe in das Album und die E-Gitarre bringt ein wuchtiges Riff hervor. Mich kann „Das Licht vertraut der Nacht“ nicht überzeugen, so wie es die ‚Flammentriebe‘ bereits schwer bei mir hatten. Das rastlose „Aus Mut gewirkt“ mit seiner leicht an die ‚Hexenwind’Tage erinnernde spanischen Gitarre vereint Folk und Metall dagegen fantastisch. „Im Fluss die Flammen“ nimmt die wütende Energie aus dem Album, wir nähern uns den Abschied. Eine verträume E-Gitarre, eine versöhnliche Melodie – etwas kantenlos muss der Hörer bereits im Sound gefangen sein um hier nicht zu ermüden, sondern begeistert zu lauschen. „Traumestraum“ ist ähnlich, wirkt aber lebendiger und die „Blume der Stille“ beendet das Werk akustisch, besinnlich, still. Dornenreich wären nicht Dornenreich, wenn sie nicht genügend Angriffsfläche für Lobhudelei oder harsche Kritik bieten würden. ‚Freiheit‘ ist nicht der große oder kreative Abschlusspaukenschlag. Das Album ist eigentlich gar kein Paukenschlag – es ist eine besinnliche Konklusion aus den letzten Jahren, ein Abschluss. Der Hörer wird hin und her gerissen – anstrengende Folkkunst zu Beginn, ein Hauch Metall, der Fans der ersten Tage hoffen und dann verhungern lässt und eine immer lieblichere Abschlussstimmung während der letzten Stücke. Aber Eviga bedient hier nicht dem Kommerz huldigend die Bedürfnisse der Fans verschiedener Dornenreichphasen, er schafft mit ‚Freiheit‘ eine in sich schlüssige Reise. Müsste ich ein Dornenreichalbum (nach der Metallanfangsphase) empfehlen, so wäre es sicherlich dieses, denn es funktioniert auf Albumlänge. Mir will ein Bild nicht aus dem Kopf – ich höre nicht ein offizielles Album sondern habe an Evigas Zimmertür gelauscht, während er für sich Musik spielte. Auf Wiedersehen, Dornenreich!