Dismantled - Standard Issue

Na sowas! Hat der große Löwe Gary Zon jetzt einige seiner Zähne verloren und kann nicht mehr richtig zubeißen? Nein, das Gegenteil ist der Fall. Denn was sich an Veränderungen gegenüber dem Debütalbum schon leicht bei "Post Nuclear" andeutete und mit der Vorab-EP "Breed To Death" fortsetzte, findet nun mit dem aktuellen Longplayer "Standard Issue" eine mehr als würdige Bestätigung. Und zwar geschieht es in der Form, dass die CD dem Pfad ihrer Vorgänger folgt, aber dennoch einen eigenen Weg geht, den auch noch niemand in dieser Form so spielerisch und frei von massenkompatiblen Zwängen verfolgt hat. Nun hat nämlich auch stärker der Klang der elektronischen Neuzeit in die Musik von Dismantled Einzug gehalten. Weg von vielen düster wüsten und dichten Klanggebilden, die zu Beginn der Schaffenszeit und natürlich auch bis zum heutigen Zeitpunkt das Aushängeschild des Projektes sind, haben sich inzwischen einige poppigere Sounds und klarere (Rhythmus-)Strukturen in die Songs eingeschlichen. Also stehen wir einem leicht gewandelten Hörerlebnis gegenüber, welches im Vergleich zu früheren VÖs eine stärkere Eingängigkeit und irgendwie auch einen schnelleren Zugang zu diesem Silberling bietet. Der Opener "Anthem" ist dafür gleich das beste Beispiel, und hier finden sich dann auch die schon genannten 'verlorenen Zähne' wieder. Im straighten 4/4-Beat geht es zur Sache und später vermischt sich Garys typische, Heavy-Metal-anmutende Stimme mit einigen futurepoppigen Elementen, die den Titel durch die Verbindung mit einigen D-typischen Sounds wirklich zu einer "Hymne" aufsteigen lassen, weil diese Elemente nur als Beigabe und nicht als dominierendes Element fungieren. Der Ausgang des Songs beweist dann auch schon wieder, dass es Dismantled versteht, einen Track auf besondere Weise lang ausklingen zu lassen und nicht einfach kurz und offiziell. "Get It Through" schlägt in dieselbe Kerbe und ist mit Abstand das Massenkompatibelste, was Zons Feder bisher hergegeben hat. Der Text erklärt den Grund für diesen Ohrwurm, der neben "Anthem" ein weiterer und unbedingter Anspieltipp ist. - Die weiteren Texte beschäftigen sich im Großen und Ganzen mit der angeblich so toleranten Dunkel-Szene und dies auf ziemlich indirekte Weise. - Der zum Album gleichnamige Songtitel "Standard Issue" ist eine weitere Besonderheit, weil er in seiner balladesken, total entspannten Piano-Version das textliche Anliegen noch einmal resümiert und dabei bspw. die Lyrics von "Anthem" wieder aufgreift. Die Vielfalt von Garys Stimme - von gefühlvoll ruhig bis stark verzerrt - sollte an dieser Stelle auch noch separat erwähnt werden. Den erstaunlicherweise könnte man fast der Annahme unterliegen, dass jede Art der gewählten Intensität in jedem Song die Passende wäre, sofern wie bei "Recall" einfach ein dazu passender Tempowechsel erfolgt. Zum Abschluss bäumt sich "Standard Issue" nochmals ganz gewaltig mit "Attention" auf. (Die Instrumentalversion gab es übrigens schon auf dem "Septic V"-Sampler zu hören.) Da treffen aktuelle Electro-Sounds auf ungezügelte Dismantled-Energie und ... einen Fußball-Chor und verweben sich durch die dazugekommenen Lyrics zu einem bombastischen Clubkracher. Wer sich da nicht in Bewegung setzt ist definitiv kein Dark-Electro-Fan. Etwas gebremster aber trotzdem noch mit angenehmer, im Midtempo gehaltener Energie und klareren Song-Strukturen schließt das Album durch "Thanks For Everything" und hinterlässt das Verlangen kurz vor Ende des letzten Tons die Repeat-Taste für die gesamte CD zu drücken. Denn bei jedem Durchlauf lassen sich allen Titeln immer weitere kleine Electro-Details entlocken, so dass einerseits überall immer etwas Neues zu finden ist und andererseits schnell einmal der Lieblingstitel seinen Namen ändern kann. So gaben sich bspw. bei mir "Breed To Death", "Get It Through", "Anthem" und dann "Attention" die Klinke in die Hand. Alle weiteren, ungenannten Songs (z.B. "Fields") sind aber keineswegs Lückenfüller sondern runden die CD so kurzweilig ab, dass ich mich hier zu (persönlichen) vollen 6 Sternen hinreißen lassen würde, aber als Ansporn für die Zukunft ca. 8 Prozent einbehalte. Fest steht aber zu 100 Prozent, dass diese CD für sehr, sehr lange Zeit zum Standard-Inventar der allermeisten CD-Wechsler gehören wird.

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