Rasch ist die Jugend mit dem Wort - und die Pressetextschreiber mit den Vorschusslorbeeren. Bei den Oberherren aus Schweden ist man sich sicher: Sie sind "die Gothic-Rock-Band, auf die die Welt seit den goldenen 80ern gewartet hat." Das hängt die Messlatte natürlich in astronomische Höhen, ein Scheitern ist da eigentlich schon vorprogrammiert.

Gleich vorweg: So schlimm ist es nicht! Das liegt auch daran, dass Joakim Knutsson und Mattias Holmlund, die beiden Ober-Oberherren, bereits ordentlich musikalische Erfahrung gesammelt haben und bei der Rekrutierung anderer Mitglieder darauf achteten, ebenfalls gut beleumundete Künstler mit ins Boot zu holen. Nichts sollte dem Zufall überlassen werden. Schließlich, so Knutsson, wollte er dem darbenden Gothic-Genre ein paar neue Impulse liefern.

Nach mehrmaligem Durchhören der acht Lieder starken Platte ist das Fazit schnell gezogen: Das Rad haben Die Oberherren sicherlich nicht neu erfunden. Denn sie sehen sich offenkundig nach dem Gothic-Rock der zweiten Generation, die sich in den späten 80ern durch Fields Of The Nephilim, The Mission und den damals gerade neuformierten Sisters Of Mercy klanglich neu orientierte. Die Oberherren zelebrieren demnach einen gradlinigen Düster-Rock, den sie nur denzent mit Elektronik ausschmücken.

Alles an "Die By My Hand" wirkt aber ehrlich und geprägt von einer tiefer Liebe für die Gothic-Szene. Selbst die apokalyptischen bis dystopischen Texte, die wie dunkle Prophezeiungen für eine dekadente Welt klingen, geben dem Gruftie-Affen ordentlich Zucker. Besonders bei "The Blood Or The Wine" passt alles perfekt zusammen. Dieses Stück sollte den Oberherren Leitfaden für zukünftige Platten sein, ebenso wie die verstörend schöne Ballade "Guns And Pills".

Denn diese beiden Stücke ragen turmhoch aus dem Album heraus und überstrahlen die restlichen Nummern, die sicherlich alles andere als schlecht sind (überhaupt muss die sehr saubere Produktion an dieser Stelle mal lobend erwähnt werden). Dennoch packen sie die Hörerschaft nicht so bretthart bei den Eiern. Eher geht "Die By My Hand" den Weg des geringsten Widerstandes und präsentiert einen handfesten, aber doch wenig überraschenden Retro-Schwarzrock, der eben vor allem die alternden Schwarzkittelträger erfreuen wird.

Doch muss man nicht gleich die Flinte ins Korn werfen. Denn es ist unbestreitbar, dass der Erstling der Oberherren zumindest ansatzweise das will, was die Mitglieder versprachen: dem Genre einen Schub verpassen. In dieser Sache ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Gut möglich, dass wir im Laufe der Zeit eine wirklich gewichtige Goth-Rock-Band von Format haben werden. Für den Moment hat man jedoch nicht unbedingt, wie es der Pressetext meint, auf Die Oberherren gewartet. Das sie jetzt da sind, ist aber auch kein Verlust für die Gothic-Szene.