Ein wenig ‚Schaulust‘ beweisen sie also immer noch: Philippe Fichot und Eliane P. begrüßen den Hörer erstaunliche 37 Jahre nach Projektgründung in „Black leather gloves“, sprechen aber ansonsten von einem „…nude body“. Alles gewohnt unverhüllt also? Künstlerisch spannend ist wieder einmal die entblößte Verpackung, die aber mit überraschend unexpliziten Bildern eher wie eine medizinische Collage wirkt. Wunderschön aber ungewohnt. Also weg mit alten Fesseln und auf zu neuen (aus)Ufern(den) Performances? Wir werden es enthüllen! Als Freund der 2009 erschienenen ‚Noir magnetique‘ fällt es mir leicht, mich in ‚Rayon X‘ wiederzufinden – Fluch und Segen zugleich, denn ‚Rayon X‘ ist über weite Strecken kompetent und mühevoll programmiert, doch es ist nicht alles Lack, was glänzt: durch die Gleichförmigkeit der Melodien und Bass-Programmierung ist ein Hörgenuss auf Albumlänge eher eine Herausforderung. Wer immer auf die gleiche Stelle haut muss mit Abnutzung rechnen. Höhepunkte gibt es in meinen Ohren klar genügend: Die Vorabsingle „Schaulust“ ist eine poppig ausgelassene Die Form Single, wie sie im Buche steht. Die fiese Nummer „ReBirth/ReDeath (Ich bin tot)“ kann durch ihre Monotonie und Basslastigkeit und den schrägen Refrain sicherlich schnell nerven, aber gerade dieses Spiel mit alten Motiven aus den Anfangstagen macht mir eine diebische Freude. „La 7ème face du dé“ wartet mit einer typischen Die Form Gesangslinie auf, doch ich kann mir nicht helfen – die sanfte Wave Nummer fesselt mich ungemein. In „Politik“ finden sich unterschiedlichste elektronische Stile wieder, die aggressiv und gekonnt zu einem kleinen Hit verwoben werden und „Amnesia (Amnesium)“ lässt mich mit seiner mantraartigen Refrainwiederholung nicht ruhig im Sessel hocken. Die restlichen Songs sind keine Ausfälle, fallen aber auch nicht auf. Die mir vorliegende Auflage in DinA5 mit zweiter CD bietet vor allem ein größeres Booklet, was den Motiven zugute kommt. Musikalisch ist der Mehrgewinn eher gering: die meisten Remixe, die schnöde mit einer 1 im Titel versehen sind, unterscheiden sich zu gering vom Orginal, zusätzliche Lieder sind nur wenige vorhanden und diese lohnen sich nur für echte Fans. Wirklich euphorische Begeisterung liest sich sicherlich anders – ‚Rayon X‘ gefällt mir als Fan des Duos gut, ich werde einzelne Stücke noch oft hören. Doch wenn ich Unkundige mit Die Form vertraut machen möchte, werde ich sicher nicht dieses Album nennen sondern Meilensteine aus der Vergangenheit. Zu oft verwenden Die Form ein und denselben Sound, zu häufig wirken Lieder ersetzbar. ‚Rayon X‘ ist ein typisches Album, schnörkellos und überraschungsarm, dennoch bei weitem nicht schlecht. Ich würde mich aber freuen, wenn uns irgendwann mal wieder musikalische Experimente erwarten würden: Das ‚Bach Project‘ oder die Abwechslung in ‚InHuman‘ zeigten, dass Die Form auch in jüngeren Jahren spannender agieren können!