Im Jahr 2010 starben zwei Personen aus dem Umfeld von David Tibet. Und wie bereits in der Vergangenheit (so auf "Sleep has his house" zu Ehren seines Vaters) verarbeitete er seine Gefühle auf dem vorliegenden Album auf die ihm ganz eigene Weise. Und man merkt es "Honeysuckle Æons" durch und durch an – ruhig, eigentümlich, in sich gekehrt und im tiefsten Kern betrübt ist es geworden, das neue Werk. Und wieder irgendwie genial. Die Grundausstattung bleibt erhalten: Die Instrumente dienen als Fundament für Tibet, seine Texte ausdruccksstark und zutiefst fordernd vorzutragen. Dabei ist die Musik aber nie schnödes Beiwerk, sondern in ihrer unaufdringlichen Art fantastisch vorgetragen. Und wie immer hat sich die Musik verändert. Waren es auf den Alben der vergangenen Jahre Folk ("Black ships..."), Kraut Rock ("Aleph...") oder elektronische Klanglandschaften, die bisweilen Noise Charakter innehielten ("Baalstorm..."), so zeigt das Team um Tibet 2011 einen Hang zu sehr leisen Klängen. Pianist Baby Dee fährt ein Sortiment unglaublich fesselnder Melodien auf, zum Teil mit schrägen Keyboard-Orgelsound. Hinzu kommen der Einsatz des sogenannten Theremin, das in seinem Klang an eine singende Säge erinnert und in einigen Sücken eine Laute für den orientalischen Touch. Pro Stück sind nicht mehr als drei Instrumente zu hören. "Honeysuckle Æons" ist dadurch ein sehr leises Album geworden, passend zu den inhaltlichen Motiven. Tibet selbst agiert auch weniger aufdringlich im Vergleich zur "Baalstorm..." - es ist nicht die "Tibet Show" voller energischer Predigten. Er lamentiert bisweilen, klingt resigniert und vermittelt denoch immer mit seinen Betonungen den Eindruck, dass in seinen Erinnerungen viel Positives zurückgeblieben ist und dass der Verlust nicht zur entgültigen Selbstaufgabe führen muss. Dadurch ist das Album im direkten Vergleich nicht so pessimistisch wie "Sleep has his house". Wieder will ich nicht auf die Texte eingehen, traue ich mich doch nicht an seine Konstrukte und Motive und deren Deutung heran. Grundsätzlich werden aber die Motive der letzten Alben aus der "Anok Pe" Reihe aufgegriffen. Großes Lob soll an dieser STelle auch das wundervolle Cover erhalten - von Tibet selbst hundertprozentig passend zum Album erstellt. "Honeysuckle Æons" ist ein schönes Album, ganz typisch Current 93 und für Fans sicher wieder eine Bereicherung. Current 93 bedeuten Fortschritt, nicht Stillstand. Wo andere Musiker des Genres sich immer wieder auf alte Glanztaten berufen und selbst nur zur Konservierung des Mythos beitragen ist Tibet ein Künstler und sein Werk stehts aktuell und lebendig. Für mich ein sehr wertvoller Gedanke – ich muss nicht vergangenen Tagen und Alben hinterherweinen sondern freue mich auf die Entwicklungen und auf das neue Material.