The Cure - Songs Of A Lost World

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Es ist vollbracht! Und ja: Robert Smith darf verdammt stolz auf das 14. Studioalbum seiner vier Dekaden andauernden Karriere sein. Auch wenn mehr als die Hälfte der Langrille bereits zum Live-Repertoire von The Cure gehörte, war es nie sicher, ob sich die Band noch mal dazu aufraffen würde, eine neue Scheibe herauszubringen. Jedoch wäre es alles andere als ruhmreich gewesen, mit "4:13 Dream" von der Bühne abzutreten. Das letzte Album, vor gefühlt einer Ewigkeit veröffentlicht (genauer gesagt: 2008), galt als eines der schwächsten in der Cure-Vita. Es hätte nicht gepasst, dass eine Band, die wegweisend für den Gothic Rock und ihren Subspezien war, in zweifelhafter Erinnerung bleibt.

Wenn "Songs For A Lost World" tatsächlich der Schwanengesang von Smith und seinen Mannen ist, wäre es gleichzusetzen mit "Voyage" von ABBA. Wie beim schwedischen Quartett, das mit diesem Album ihr musikalisches Testament hinterließ, wohlwissend, dass der Mitglieder restliche Lebenszeit mittlerweile überschaubar ist, scheint sich auch bei The Cure die Erkenntnis breit zu machen, dass nichts für immer währt - schon gar nicht das Leben. Für den Mittsechziger Robert heißt das: Die Einschläge rücken näher. Folgerichtig ist "Songs Of A Lost World" ein extrem dunkles und nachdenkliches Album geworden, das an die Frühphase der Band anknüpft, als sie vor allem mit "Pornography" ihre Trademarks erstmals deutlich ausgearbeitet haben. In "Songs Of A Lost World" haben wir zudem die Gelegenheit, einen Türspalt breit in das Gefühlsleben von Herrn Smith reinzuluren.

Schließlich hat der Sänger in den letzten Jahren Weggefährten verloren, darunter auch seinen Bruder, dem er in "I Never Can Say Goodbye" einen letzten Gruß voller Schmerz schickt. Der Song erinnert in seiner Melodieführung stark an das Strophenthema von Marillions "Kayleigh" und wirkt, trotz seiner angezerrten Gitarren und dem schleppenden Rhythmus, fast schon übertrieben poppig, wenn man ihr den tiefgreifenden Text gegenüberstellt. "Nothing Is Forever", auch so eine vordergründig schmalzige Ballade mit großem Streicherbesatz, die aber von Gallups bratzigem Bassspiel durchschossen wird, zeigt den Frontmann als lebensweisen Meister der Schwermut, der gerne ein "carpe diem" ausstößt, um sich kurz darauf untröstlich ob der damit verbundenen Endlichkeit aller Dinge zu zeigen. 

Das alles geschieht fast wie in Zeitlupe, weswegen die meisten Songs mit ausladenden Instrumentalintros versehen worden sind. Vor allem der Opener "Alone" und der zehnminütige "Endsong", sinnigerweise ans Ende gesetzt, haben mit ihren wuchtigen, aber gleichzeitig ruhigen Klängen das Feld der Tristesse bestellt, auf dem Robert nun torkelnd umherwandelt. The Cures Niedergeschlagenheit braucht Zeit und nimmt sich diese auch. Ob das streamingverdorbene junge Hörer, deren Aufmerksamkeitsspanne bei nur noch wenigen Sekunden liegt, aushalten, sei mal dahingestellt. Die älteren Semester werden ihre helle Freude an den "Maxi-Versionen" haben.

Nur einmal, bei "Fragile Thing" nämlich, gelingt es der Band, das Popmoment voll und ganz auszukosten. Die flockigen Melodien und das antidepressive Gitarrenspiel lässt alte "Wish"-Zeiten aufleben. Gerade in diesem Song fällt einem basserstaunt auf, dass Robert trotz seiner 65 Jahre ein altersloses Organ besitzt. Entweder liegt es an einer gesunden Lebensweise, intensiver Pflege der Stimmbänder oder an den Genen, aber man merkt nicht eine Spur von Abnutzungserscheinungen. Die Zeile "I'm outside in the dark, wondering how I got so old" aus "Endsong" klingt deswegen so befremdlich, weil man immer noch den jungen Smith qua seiner Stimme sieht.

Aber alles auf diesem Longplayer klingt nach Abschied: "This is end of every song that we sing", lautet die erste Zeile von "Alone". Es mutet wie eine düstere Vorahnung an, dass "Songs Of A Lost World" tatsächlich zum letzten weltschmerzlichen Halali bläßt, ehe der Mann mit der Vogelnestfrisur und den grell geschminkten Lippen mit einem sanften Lächeln die Bühne verlässt. Denn er hat ein musikalisches Erbe hinterlassen, das vielleicht nicht immer großartig war, aber in manchen Momenten überlebensgroß. "Songs Of A Lost World" zählt unbestritten dazu.

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