Es ist eines dieser Alben, die sich aus der Geschichte der elektronischen Musik wie ein Obelisk erheben – kantig, unbequem, aber von fast mystischer Anziehungskraft. Impersonator II, das Soloalbum von Carlos Perón, dem Mitbegründer von Yello, wurde ursprünglich 1988 über 'Play It Again Sam Records' veröffentlicht – lange nach seinem ersten Solowerk Impersonator aus dem Jahr 1981, aber mit direkter ästhetischer Linie dorthin. Beide Alben entstanden in einer Zeit, in der elektronische Musik noch mit Bandmaschinen, analogem Equipment und purem Experimentiergeist gemacht wurde. Und gerade Impersonator II hob sich damals als eine besonders düstere, avantgardistische Perle hervor: eine Mischung aus Industrial, experimentellem Synth, Klangcollagen und theatralischen Sprachsamples – mehr Kunstperformance als Pop, mehr Abgrund als Unterhaltung.
Am 30. Juli 2025 nun erscheint das Album als ReRelease in einer vollständig restaurierten und remasterten Edition über Sub Culture Records aus Norwegen – erfreulicherweise erstmals auch digital erhältlich, mit Bonus-Tracks, die das Werk abrunden und in seinem Wahnsinn noch ein Stück vollständiger machen. Carlos selbst hat Hand angelegt, und das merkt man: Dieser ReRelease ist kein lieblos hingeworfener Nostalgiesnack, sondern ein akustisches Denkmal, mit chirurgischer Präzision entstaubt und mit bewundernswerter Demut gegenüber dem Original behandelt.
Schon in der neuen Fassung des Openers A Dirty Song wird klar, wohin die Reise geht: keine Anbiederung an aktuelle Trends, sondern ein verstörend groovender Bastard, der sich der Kategorisierung verweigert. Und wer The Hate Song danach ohne Kratzen im Hinterkopf übersteht, hat entweder einen sehr stabilen Musikgeschmack oder zu viele Throbbing Gristle-Platten im Regal. Die Tracks atmen die Atmosphäre dadaistischer Hörspiele – 10,000 Zippers beispielsweise klingt wie ein Tanz auf dem Zahnarztstuhl, während Galadiner With Boris The Vampyr die Vorstellungskraft in ein absurdes Vampirbankett irgendwo zwischen Erotikmesse und Spionagesatire katapultiert. Perón nutzt seine Stimme wie ein Instrument – selten im klassischen Gesang, sondern als rhythmisches, verstörendes Element. Sprachfetzen, geflüsterte Kommandos, irgendwie absurdes Gebrabbel – alles hat scheinbar seine Funktion, alles passt. Besonders auffällig ist das bei Massacre In Frankfurt (Suite), einer fast 19 Minuten langen Klangcollage, die zwischen cineastischem Wahnsinn und elektronischem Exorzismus oszilliert.
Die Bonus-Tracks fügen sich hervorragend ins Gesamtbild ein. Stahlbaubetrieb 13 etwa ist eine perverse Liebeserklärung an Maschinenkultur und Betonmoderne, während Commando (War Dance Version) mit tribalistischen Anklängen beinahe tanzbar wirkt – sofern man in einem Bunker mit Stroboskop tanzen möchte. Besonders erwähnenswert ist Happy New Year, das in Kollaboration mit Dieter Meier entstanden ist. Es ist das einzige Stück mit direktem Yello-Bezug – aber statt eleganter Electro-Lounge ist hier offensichtlich ein absurdes Neujahrsritual entstanden, das irgendwo zwischen Gruselkabinett und Performance-Kunst liegt. Es fühlt sich fast wie ein Gruß aus einem parallelen Yello-Universum an, in dem der Champagner durch Formalin ersetzt wurde.
Klanglich ist das Remastering meines Erachtens nach ein Geschenk: endlich druckvoll, präsent und trotzdem mit der nötigen Patina belassen. Kein Glätten, kein Plastikglanz – sondern der Originalwahnsinn, nur mit klarerer Sicht auf die Abgründe. Impersonator II fordert heraus, es sperrt sich gegen Hintergrundbeschallung, es will gehört, durchlitten und verstanden werden. Aber wer die Kraft hat sich auch dieses Release einzulassen, wird belohnt mit einem der faszinierendsten, kompromisslosesten Werke, das die elektronische Avantgarde für meinen Geschmack je hervorgebracht hat. Es ist Carlos Peróns Antwort auf all die glattpolierten Retro-Acts: ein düsteres Meisterwerk, das endlich die digitale Bühne bekommt, die es verdient.Danke Carlos Perón.
Carlos Perón – Impersonator II

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