Ich bin mit Vorsicht an dieses Split-Album getreten: Thief sind so gar nicht meine Band, die elektronischen Zauberwelten von D. Neal konnten mich weder auf dem Vorgänger, noch auf dem kommenden Album ‚The 16 deaths of my master‘ (in das ich bereits reinhorchen durfte), berühren. Das liegt nicht an mangelnder Qualität, sondern simpel daran, dass Thief weit weg von meinen Hörgewohnheiten und -bedürfnissen agieren und ich emotional nur feststellen kann: Okay, das sind Töne. Botanist hingegen kannte ich bisher nur als Namen: Roberto „Otrebor“ Martinelli, der Lotus Thief als Seitenprojekt startete, konnte mich gerade mit dem letzten Album ‚Oresteia‘ begeistern, aber da auch diese Band nicht in meinen bevorzugten Genres agiert und D. Neal lange Zeit Teil von Botanist war, schaute ich mir die bisherige Diskographie erst gar nicht an. Eventuell ein heilbarer Fehler.

‚Cicatrix‘, die Vernarbung beschädigter Pflanzen, ist der Titel des Botanist Teils und die Songs sind bisher unveröffentlichtes Material, das noch aus Tagen ihres Albums ‚IV: Flora‘ stammt. Und sie sind ziemlich geil, wenn ich ehrlich bin – Botanist klingen eigenwillig, aber wer Post Black Metal mit einem Hackbrett (hammered dulcimer) statt E-Gitarren macht und seine Texte rund um die Pflanzenwelt und deren Schutz aufbaut, der darf eigenwillig klingen. Bedrohlich und entspannt zugleich, wenn man es sich vorstellen kann, die Vocals rau und geflüstert, manchmal gebrüllt – es ist fast so, als ob Botanist einen Sound vorstellen, der sich aus Enslaveds ‚Frost‘ ableitet, aber eine völlig neue Abzweigung genommen hat. Spannend und trotz roher, kratzender Sounds angenehm zu hören. Während der Titeltrack und das anschließende kurze Stück wenig reizvoll sind, sind die vier umschließenden und meist wesentlich längeren Stücke eine wahre Ohrenfreude. Insbesondere der Remix von „Balete“, dessen Original auf den ‚Hanging Garden B-Sides‘ zu finden war, ist ein wunderschöner Titel, an dem ich mich kaum satt hören kann (und der deswegen auch unten verlinkt ist). Diese 25 Minuten lohnen sich für mich deutlich.

Tja, und dann ist da ‚Diamond Brush‘, der Teil von Thief. Ich kann nun weitergeben, dass D. Neil hier zum ersten Mal E-Gitarren und ein echtes Schlagzeug nutze und der Sound weiterhin eine Walze träger Rhythmik, gesampleter Elektronik, Sprechgesang und sakraler Chöre ist. Und weiterhin empfinde ich einfach so gar nicht beim Hören, erlaube mir aber nicht, daraus einen Schluss über die Qualität zu ziehen, das sollen andere entscheiden.

Okay, ich habe nun also eine Band kennengelernt, von der ich gerne mehr hören möchte und eine Band, mit der ich mich wohl nie anfreunden werde. Beide sind durch die Zusammenarbeit miteinander verbunden, aber ob dies allein ein ausreichender Grund ist, diese doch wirklich sehr unterschiedlichen Stile auf einem Werk zu verknüpfen – ich habe da meine Zweifel. Ich sehe nicht nur im Sound keine Berührungspunkte, sondern auch bei den transportierten Emotionen, den Themen, kurz, eigentlich bei allem, das so ein Split begründen könnte. Man geht nicht einmal durch Coverversionen oder Remixe aufeinander ein. Von dem her würde ich vorliegendes Split-Album nicht wirklich weiterempehlen.

 

Botanist / Thief

Cicatrix / Diamond Brush

 

27.08.2021

prophecy productions

 

https://thief-official.bandcamp.com/album/cicatrix-diamond-brush-botanist-thief-split

 

01. Botanist – Juglans nigra
02. Botanist – Styrax
03. Botanist – Cicatrix
04. Botanist – Antirrhinum
05. Botanist – Balete (Remix)
06. Botanist – Streptocarpus (Remix)
07. Thief – Hyena
08. Thief – Firethroat
09. Thief – Diamond brush
10. Thief – 2700 years
11. Thief – Acid queen
12. Thief – Corpse sprout