Da hatte ich mich doch gerade erst in die Single „Private eye“ von Tobias Bernstrup verliebt und schon steht das ganze Album in den Startlöchern. Der Herr, der anscheinend das Genre Italo-Disco bedient und nicht um extravagante Bekleidung verlegen ist, blickt auf eine fast 25 Jahre umfassende Geschichte musikalischer Produktivität zurück und wenn ich es richtig sehe, dann ist ‚Petrichor‘ Album Nummer acht. Wie in meinen Zeilen zur Single geschrieben, sichtete ich diese Diskographie und ja, es waren einige sehr schöne Songs dabei, aber ich gestehe: Was bisher geschah, würde mich nur bedingt zum Schreiben einer Kritik bewegen. Im Umkehrschluss bedeuten diese Zeilen zum aktuellen Album…

‚Petrichor‘ ist vor allem eines: eine Sammlung richtig guter Lieder zum Tanzen. Ist jetzt kein Geheimnis, dass das bei der Genrebezeichnung Italo-Disco durchaus wahrscheinlich ist, aber in den 40 Minuten des eigentlichen Albums tuckert der Drumcomputer fröhlich, die Sequenzer pumpen und die Melodien sind vor allen eines: Catchy. So sehr, dass ich mich automatisch hüpfend durch die Wohnung bewege, während das Album läuft. Wave-Freunde werden Wave-Freuden erleben. Die Programmierung ist zweckmäßig und fabelhaft zugleich, alles klingt schön künstlich, nicht zu opulent und trotzdem wirken die Arrangements mühevoll und es findet sich auch bei mehrfachem Genuss auf Kopfhörern immer wieder etwas Neues. Bernstrups Gesang ist ganz wunderbar zurückhaltend – im Gegensatz zu seiner ausschweifenden Garderobe singt der Mann mit einer klangvollen, zerbrechlich wirkenden und ungemein passenden Stimme. Nicht einzigartig, aber extrem stimmig in das musikalische Geschehen implementiert.

An die großartige Single „Private eye“ reicht zwar mit dem Titeltrack in meinen Ohren nur ein weiteres Stück heran, aber „Challenger“, „Stranger“ und „Loadrunner“ gehen auch sofort in die Beine und bei „Heartbeat“ kann selbst ich Ahnungsloser, wenn es um das Genre geht, nicht anders, als an italienische Filme der 70er und frühen 80er zu denken und Disko-Szenen in rot und orange. Das Titelstück fällt übrigens fast aus dem Rahmen, ist es doch durch die gemächlichere Gangart fast schon schmachtig-balladig. „I am become“ und „Into oblivion“ wirken dann noch einmal recht ernst, bevor mit „Only one“ das in meinen Ohren einzig etwas maue Stück ‚Petrichor‘ beendet – schlecht ist es nicht, aber es düdelt halt etwas zu sehr vor sich hin. Die Remixe sind sicherlich für Freunde solcher eine interessante Dreingabe, da ich aber selten ein Fan von Remixen bin, die Originale auf dem Album in meinen Ohren bereits schlüssig und toll sind und 40 Minuten Spielzeit und -freude boten, enthalte ich mich einer wirklichen Meinung.

‚Petrichor‘ sollte man sich zumindest einmal im Durchlauf geben – als großer Freund der letzten Veröffentlichungen von Henric de la Cour und Choir Boy habe ich mir mit Bernstrups neuestem Streich das tanzbarste Werk ins Haus geholt, das vielleicht nicht immer die Tiefe der beiden genannten Alben beweist, nichtsdestotrotz aber fern ist von Belanglosigkeit. Einfach ein gutes Album für die Tanzfläche, bei dem man nicht nur aus Pflichtgefühl mitgeht, sondern aus purer Lust an der Bewegung und Freude an den gekonnt umgesetzten Melodien. In dieser Masse ein echtes Kunststück und Bernstrup sicherlich ein Kandidat für kommende Konzertbesuche.

 

Tobias Bernstrup

Petrichor

 

20.08.2021

Nadanna Records

 

https://www.bernstrup.com/

 

01. Maledicta
02. Private eye
03. Challenger
04. Staring
05. Petrichor
06. Stranger
07. Loderunner
08. Heartbeat
09. I am become
10. Into oblivion
11. Only one
12. Challenger (sanfrandisko re-rub)
13. Private eye (dmt berzerk remix)
14. I am become (ash code remix)
15. Only one (supermatik remix)
16. Private eye (qual world wide web killer remix)
17. Stranger (xeno & oaklander remix)
18. Private eye (we the north remix)