Es war einmal ein kleines, isländisches Mädchen, das keine Lust mehr hatte bei den Sugarcubes zu singen um fortan lieber mit der Creme de la Creme der elektronischen Musikproduzenten Solo-Werke unters Volk zu bringen. Die ersten Alben brachten den Menschen innovative, gut gemachte Musik verschiedener Couleur, bis das Mädchen erwachsen sein und schräge Kopfgeburten als musikalisch wertvolles Gedankengut verkaufen wollte. Mit Voltaic kehrte sie schließlich ein ganzes Stück zu ihren Ursprüngen zurück und konnte so auch wieder die Kritiker davon zu überzeigen, dass neben dem Land selbst nicht auch die isländische Musik knapp an einer Bankrotterklärung vorbeigeschrammt ist. Nach einer Live-Tour folgt nun ein prall gefülltes Set das den Hardcore-Fan genauso glücklich machen sollte, wie den wiederkehrenden Björk-Verehrer. Ganze vier Medien enthält der unscheinbare Digipak. Zwei davon präsentieren ausschließlich Töne, die anderen beiden liefern auch das Bild dazu. Das ‚dazu’ ist dabei etwas irreführend, denn man könnte den üblichen Konzert-Pack vermuten, wie ihn bspw. Kraftwerk vor ein paar Jahren auf den Markt geworfen hat. Voltaic enthält im Gegensatz dazu keinen Song doppelt, alle Aufnahmen unterscheiden sich. Neben dem obligatorischen Live Konzert gibt es als Bonus noch fünf Tracks von einem isländischen Kirchenkonzert auf DVD dazu. Das Audio-Pendant hingegen liefert ein Dutzend Songs, die zwar die Tour-Versionen darstellen, aber statt eines einfachen Mitschnitts mal schnell in den Olympia Studios in London an einem Nachmittag auf genommen wurden. Die zweite DVD vereint alle Videos der Volta-Ära, zwei Making-Ofs sowie die zehn Runners-Up des Video-Contests von ‚Innocence’. Letztlich wäre da noch eine CD mit vielen Remixes, die es bisher nur in den dicken Vinyl/CD Boxen gab, die Björk zwar liebevoll gestaltet aber auch liebevoll teuer auf den Markt geworfen hatte. Die Live-Experience mit Mark Bell wird diesmal nicht vordergründig durch einen Innuit-Chor sondern zählt auf ein Bläser-Ensemble, das gekonnt neue Nuancen in die Songs einbringt. ‚Army of me’, das als Klassiker für die aktuelle Tour nochmal ein zeitgemäßes Overhaul bekommen hat profitiert davon mit am meisten und wirkt stellenweise wie ein längst überfälliger Art of Noise Mix. Umso schöner, dass diese Version auch auf der Studio-CD enthalten ist. Ähnlich interessant die Interpretation von ‚Hunter’, die mit den Blechinstrumenten ein echtes Bolero-Feeling aufkommen lässt. Statt sich ausschließlich an den alten Klassikern gut zu tun hat es Björk verdient auch den neuen Songs eine Detailbetrachtung zu schenken. Allen voran ‚Wanderlust’ beweist das Geschick der Sängerin herausragende Melodien zu stimmiger musikalischer Untermalung charakterstark interpretiert vorzutragen. Ein Song, der sich vor Klassikern wie ‚Yoga’ oder ‚Bachelorette’ nicht verstecken muss. Während andere Bands Truck-Kolonnen voller Bühnenequipment auffahren, lebt die Show, die Voltaic zeigt, mehr von der Präsenz der Künstlerin und der sie unterstützenden Musiker, die aktiv in das Gesamtprodukt einbezogen werden. Dabei bringen Mark Bell und Damian Taylor ähnlich schräge Instrumente ein, wie seinerzeit Matmos. ‚Reactables’ werden sie im Booklet genannt und das trifft es ganz gut, wenn mal wieder einer der Elektroniker seine Hände über einem wild leuchtenden kreisrunden Tisch bewegt um die Ton-Collagen zu ergänzen. Hier ist Mark Bell deutlich besser aufgehoben als damals bei der Produktion von ‚Exciter’. Die Videoclips auf der zweiten DVD sind durch die Bank weg sehenswert, auch hier ist wieder Wanderlust als ‚most breathtaking’ zu nennen. Die virtuell inszenierte Reise mit den Büffeln auf dem reißenden Fluss hat in der heutigen Wegwerfvideo-Community Seltenheitswert genauso wie die Seil-Maschinerie aus ‚Declare Independence oder die Farbexplosionen in ‚Innocence’. Erfreulicherweise bringen auch die Remixes einen echten Mehrwert. Besonders begeistern der ‚Modeselektor for Girls’ Remix des an ‚I’ve seen it all’ anknüpfenden Duetts ‚The Dull Flame of Desire’ sowie der Matthew Herbert Remix von ‚Declare Independence’, der wild-gepitcht Noise-Elemente den Wiedereinzug in das Björk-Imperium ermöglicht. Dritter herausragender Track ist die Interpretation von Simian Mobile Disco von ‚Innocence’: tanzbar jedoch weit am Mainstream vorbei erinnert das an geniale Neubearbeitungen von Fluke, Nellee Hooper oder GusGus, die bereits fest in der Remix Best-Of von Bjork verankert sein müssen. Was wäre Björk, wenn der Release nicht auch künstlerisch wertvoll verpackt wäre. Die normale Version in einem 5-fold Digipak, die limited Edition in einem Box-ähnlichen Gehäuse. Wer allerdings mal wieder kräftig einen Schlag in den Nacken bekommen sollte ist die Bundesprüfstelle, die uns mit ihrem plumpen, hässlichen auf der Vorderseite aufgebrachten Aufkleber schlicht mitteilt, dass die beiliegende DVD KEINER Altersbeschränkung unterliegt, also dass JEDER die DVD kaufen darf. Ließe sich der Aufkleber abziehen, wäre ja alles gut, beim abpopeln wird jedoch das schicke Cover kräftig entstellt. Danke Frau von der Leyen, das unterstreicht den Eindruck, den ich von den Ihnen verantworteten Themen sowieso schon habe. Dann lesen Sie doch lieber im Fernsehen weiter Kindergeschichten vor…