Die Dualität des Menschen. Das ist das Thema des dritten Albums "Dval Canvas" von Antiflvx aus Kolumbien. Die Gründer des 2016 ins Leben gerufenen Darkwave Projekts, Sänger Leonardo Jaime und Tastendrücker Camilo Alfonso, bewegen sich hörbar auf der grüblerischen Seite des Lebens. Es geht um Licht und Schatten, um Liebe und Schmerz. Ihre zutiefst melancholische Ader ist für deutsche Gemüter sicherlich nicht unvertraut. Antiflvx zeigt sich selbst sehr von der deutschsprachigen Schwarzen Szene beeinflusst, was sogar zu einer eigenwilligen Coverversion von Lacrimosas "Crucifixio" im Frühjahr 2023 führte. Das Duo bezeichnet Thilo Wolffs Band als eine ihrer größten Inspirationsquellen. Übrigens ist der Song auf der CD-Version des Albums als Bonus draufgepackt worden.

Man kann von Lacrimosa natürlich halten, was man will. Handwerklich ist aber das, was sie machen, absolut einwandfrei. Was man von Antiflvx's Oeuvre nicht sagen kann. Es ist sicherlich legitim, die Kompositionen auf ihre Quintessenz runterzudampfen, sodass im Grunde nur noch Beats, Bässe und Melodien übrig bleiben. Auf "Dval Canvas" fehlt aber die zündende Idee und die Songs ähneln sich in ihrer Struktur oftmals zu sehr. Eine Ausnahme bildet "Silueta De Luz", ein Song, der sich an die Manierismen elektronischer Körpermusik anlehnt und einen angenehmen Ausreißer innerhalb eines sehr getragenen Albums bildet.

Doch was nützen leidlich gute Songs, wenn die Stimme versagt? Zumindest wirkt Jaimes Sangeskunst sehr fragwürdig. Sein dunkles Timbre ist an sich geradezu prädestiniert für die Weltschmerznummern, die sich Antiflvx erdacht haben. In den ganz tiefen Lagen bricht ihm das Organ leider fast weg. Darüber hinaus trifft er die Töne eher nach dem Zufallsprinzip. Bereits "Hilos" fördert dieses Defizit zu Tage.

Das wächst sich im Laufe des Albums zu einem richtigen Ärgernis aus, denn einige Songs sind kompositorisch gar nicht verkehrt, doch der schiefe Gesang schießt dermaßen quer, dass man geneigt ist, die Vorspultaste zu drücken. "Secal" mag als Beispiel dienen. In aufgeräumten Synthie-Sounds, die an die letzten Veröffentlichungen von Dernière Volonté erinnern, lässt es sich grundsätzlich prima melancholisieren. Aber wenn so deutlich und mit Fleiß am Ton vorbeigesungen wird, macht die Traurigkeit der Fremdscham Platz. Same same übrigens auch bei "A Wound Of Love", das in seinem Arrangement einfach aber wirkungsvoll ist. Allein der Gesang hinterlässt einmal mehr nur Kopfschütteln.

Gastchanteusen wie Ana Gartner bei "Efimero" oder Eva Red bei "After All" zählen zwar auch nicht zu den Stärksten ihres Fachs, heben aber die Qualität der Songs dennoch ein wenig. Wunder bewirken können sie natürlich auch nicht. Sänger Leonardo ist und bleibt einfach zu dominant in seinem überschaubaren Talent.

Bleibt am Ende die Frage: Was fängt man mit so einer Platte an? Eigentlich bietet sie auf musikalischer Ebene einige schöne Momente. Beim Gesang allerdings muss man mehr als beide Augen zudrücken, um ihn als solchen durchgehen zu lassen. "Dval Canvas" handelt von Licht und Schatten, wie eingangs erwähnt. Treffender könnte die Beschreibung als abschließendes Fazit zur Qualität der Platte nicht sein.