Ein Flugzeug stürzt während eines Unwetters auf einem Berg ab. Einige Menschen überleben und versuchen nun, in der unwirtlichen Gegend den Elementen zu trotzen. Schließlich reißt eine unsichtbare Gewalt auch diese in den Tod. Die herbeinahenden Rettungskräfte finden schließlich nur noch die Leichen der Passagiere, die seltsame innere Verletzungen oder eine hohe Strahlenbelastung aufweisen. Was sich wie der Plot zu einem schaurig-dystopischen Horrorstreifen anhört, ist die Basis für das neue Album des russisch-israelischen Musikers Anatoli Grinberg und des deutschen Klangfricklers Andreas Davids. Letzterer dürfte vor allem durch sein Projekt Xotox den meisten Hörern und Lesern ein Begriff sein.
Dieser hat zuletzt mit "Ich bin da / ich funktioniere" ein sehr persönliches Werk abgeliefert, in dem er die Krankheit Depression nachvollziehbar und unmittelbar in eindringliche Sounds verpackt hat. Nun arbeitet er sich mit seinem Mitstreiter Grinberg an einer "Tragödie", wie es der Albumtitel verspricht, ab, die von der Fragilität des Lebens handelt. Auch dieses Mal will Davids durch seine Musik den Menschen über die bloßen Klänge hinaus zu Bildern gelangen. Anatoly Grinberg, der unter dem Alias Tokee musiziert und in der Vergangenheit bereits mit Davids kooperierte, ist wie Andreas auch ein Tonforscher. Bei beiden wird der Wohlklang gerne auch mal gegen sperrige Geräusche eingetauscht, um eine besondere Atmosphäre zu erzeugen.
So halten sich auch bei "Inspired By A Tragedy" verzerrte Beats sowie harsche Sounds und frostige Melodien perfekt die Waage. Zu keiner Zeit gerät das Album in das eine oder andere Extrem, sondern balanciert zwischen einer vermeintlichen Eingängigkeit und einem sich dem Wohlklang verschränkenden Schlagwerk. Am Ende entsteht eine somnambule bis albtraumhafte Atmosphäre, die nicht selten auch ins Surreale driftet. So wie bei "It's Quiet Outside", dessen Titel aber genau das Gegenteil der Komposition, die sich in schneidenden Drums und würmelnden Sequenzen ergeht, bildet. Draußen mag es vielleicht still sein, aber der innere Furor ist wohl unüberhörbar. Auch die Musik von "The Silence Between Two Seconds" steht konträr zur Überschrift. Hier wird keine Sekunde der Stille überlassen, sondern mit Tönen aufgefüllt, erdacht von zwei passionierten und ambitionierten Musikeren, deren Ziel es ist, aus konventionellen Mustern auszubrechen, um die unendlichen Möglichkeiten elektronischer Klangerzeugung weiter auszuloten.
Im Laufe der durchaus anspruchsvoll zu nennenden Platte treiben Grinberg und Davids ihre Klangcollagen weiter voran, lassen in "We Are Awake" tinnitusähnliche Töne und entfernt archaische Rhythmen erklingen, ehe aus der Tiefe unterkühlte Soundflächen an die Oberfläche gelangen. "Voices From The Future" beginnt mit leiernden Synthieparts, die von fiebrigen Beats abgelöst werden und leicht dissonante Sequenzen im Schlepptau haben. Sicherlich nicht die leichteste Kost, die "Inspired By A Tragedy" darstellt, aber eine vielschichtige.
Erst "The End" gibt den warmen Flächen und ausladenden Drones mehr Raum; zeitgleich nimmt sich die Beatsektion etwas zurück. Plötzlich ist in der ganzen maschinellen Strenge dieser Nummer auch etwas Sentimentales hörbar. Anatoly Ginsberg & Andreas Davids beenden "Inspired By A Tragedy" geheimnisvoll und beklemmend - gleich der Geschichte, die der Musik zu Grunde liegt - und liefern einen weiteren Beweis, dafür wie gut elektronische Musik klingen kann, wenn sie sich von der Konfektion löst.