Selbstdarstellung bis zur Selbstaufgabe, der Interssierte kann das Leben der Amanda Palmer fast hautnah miterleben. Was dahinter steckt sei der Interpretation des Einzelnen überlassen, an dieser Stelle geht es doch einzig um ihr musikalisches Schaffen das sich seit ihrem noch gar nicht zu weit in der Vergangenheit zurückliegendem Erscheinen als Teil der Dresden Dolls so sehr gewandelt hat nur um sich im Kern doch treu zu bleiben. Dolls, Solo, als Zwilling Evelyn-Evelyn, mit der Ukulele bewaffnet und Radiohead covernd oder (leider nur den Amerikanern vorbehalten) an der Seite ihres Ehemannes und Schriftstellers Neil Geyman (sehr lohnende Livemitschnitte, man muss sie nur finden!) - eine wilder Ritt liegt da hinter ihr und der Hörerschaft und mit dem vorliegenden "Theatre is killing" ist schon wieder eine neue Stufe erreicht: Nicht nur musikalisch, nein, auch die Finanzierung fand auf eher ungewöhnlichem Wege statt. Über die Internetplattform Kickstarter spendeten fast 25000 Fans über eine Millionen Dollar und das Album erschien über Palmers eigenes Label 8 Ft. Records. Auch ich als Fan der musikalischen Seite der nimmermüden Bostonerin will nicht jedes Experiment hochjubeln und sicherlich habe ich Favoriten in der Albumliste. Das vorliegende Werk hat sich aber trotz oder gerade wegen der anfänglichen Vorbehalte in mein Herz gespielt. Amanda ist nun deutlich Pop: vor allem in Sachen Instrumentierung wird hier nicht nur nicht mehr Wert auf Minimalismus rund ums Piano gelegt, nein, das Piano taucht sogar zum Teil völlig unter und Frau Palmer erzeugt künstliche Keyboardlinien begleitet von E-Gitarren und zum (geringen) Teil Bässen. Das muss man ersteinmal verdauen.... aber die Macht der Kompositionen hilft dabei enorm: Nach dem Intro kommt ganz pompös das im Herzen ganz Dolls artige "Smile". Das zieht noch nicht so ganz? Hier arbeitet die Zeit und nach einigen Durchläufen fragt man sich, warum man nicht gleich überzeugt war. Ganz anders "The killing type" - das gefällt von der ersten Note, gewinnt mit dem ersten Gesangs-Einsatz des Grand Theft Orchestras und haut dann um mit der vollen Instrumentierung. Überhaupt, die drei Herren, die Frau Palmer da angeheuert hat untermalen ihre Musik ausgezeichnet ohne an irgendeiner Stelle die Show zu stehlen. Beschwingt endet dieses im Herzen traurige Lied - aber textlich war Amanda selten so verschlossen und pessimistisch wie auf diesem so rosig scheinenden Album. Und verteufelt vertrakt für einen nicht-Muttersprachler. "Do it with a rock star" erweist sich als eher durchschnittlicher und etwas zu aufgeblasener Song mit einem großartigen Refrain. Dann die Vorabsingle "Want it back" mit dem so gelungengenen wie exebitionistischen Video: Amanda Pop? Vollkommen egal, der Song über den vergeblichen Versuch, eine Trennung wieder rückgängig zu machen, reißt mit. Wer dem Refrain nicht noch tagelang summt mag Amanda Palmer einfach nicht... oder er hat das folgende "Grown man cry" gehört. Mein persönlicher Favorit ist wundervoll wavig und lässt vollen Raum für Amandas wunderbar unperfekte aber so menschliche Stimme. Dann noch der melancholische Refrain - ein wahnsinns Song. "Trout heart replica" ist in meinen Ohren eine eher schwache und zu sehr auf die Tränendrüse drückende Ballade epischer Länge... hier wird geskippt. Nach einem kleinen instrumentalen Intermezzo überzeugt "Lost" insbesondere durch den gelungenen Text, musikalisch wird gute solide Kost geboten (man ist bei Amanda aber auch anspruchsvoll). "Bottomfeeder" ist schmusig und bezaubernd. "The bed song" vergleicht die Stationen einer Beziehung mit den Betten, die das Paar jeweils plattliegt (bis zur unausweichlichen letzten Kiste) - hier haben wir Frau Palmer wieder ganz für uns. Nur sie und ihr Pianospiel und es funktioniert. Wunderschön. "Massachusetts avenue" und "Melody Dean" gehen etwas unter - dafür sind die restlichen Songs zu stark. Also schnell weiter zu Amandas Abrechnung mit der Zeit, also sie zur Finanzierung der Dolls strippte. "Berlin", so der damalige Künstlername, ist musikalesk, wandlungsfähig und braucht einige Zeit um wirklich seine Stärken preiszugeben. "Olly olly oxen free" beschließt dieses großartige Album noch einmal etwas mitreißend poppig. Geschafft. Was für ein Aufgebot an starken und abwechslungsreichen Liedern. Was für ein Ritt. Die neue Amanda konnte meine Vorbehalte gegenüber poppiger und großer Produktion ausmerzen. "Theatre is evil" ist deutlich Amanda Palmer, ihr neues Orchestra hat ihre Lieder mit vielen kleinen und liebevoll eingestrickten Elementen aufgewertet und Kompositionen und Texte sind noch einmal stärker als auf den letzten Alben. Amanda ist nicht mehr ein Dresden Doll aber deutlich eine der stärksten Songwriterinnen unserer Zeit.