Hält man als Fan der Band Alcests viertes Werk zum ersten Mal in den Händen, dann kann man schon ganz viel erahnen. Das helle, leuchtend-positive Foto mit weißem Rand überrascht nach 2 eigentümlichen Jugensstil-Covern. Der Albumtitel zeichnet die Wandlung noch klarer: nach ‚Souvenirs einer anderen Welt‘, ‚Mondschuppen‘ und ‚Die Reisen der Seele‘ bietet uns Neige mit ‚Shelter‘ nun ein (be)schützendes Asyl für sich selbst und seine Hörerschaft. Damit ist allein ein Wechsel von etwas Bewegtem hin zu etwas Verweilendem deutlich. Doch was bedeutet dies für die Musik? Zwei große Einschnitte hat der Klang von Alcest erfahren. Auf ‚Shelter‘ wurden zum einen schwarzmetallische Einflüsse fast gänzlich entfernt: Kein Keifgesang mehr, keine hektischen Drumpassagen und keine beziehungsweise nur sehr vage und deutlich in den Hintergrund gemischte Black Metall Riffs. Alcest steht nun für reinen Postrock/Shoegaze. Zum anderen hat sich auch die Grundstimmung verändert: werden die Songs zwar weiterhin langsam und durch Wiederholung aufgebaut, so vermitteln sie weitaus weniger eine melancholisch-vorantreibende Grundstimmung sondern ein Schwelgen in sicheren und positiven Bereichen. Ein Verharren. „Opale“ eröffnet nach dem Intro mit einem verspielt-fröhlichen Riff, „La nuit marche avec moi“ lässt alte Sehnsüchte noch einmal aufflammen bevor „Voix sereines“ ganz einkuschelt. „L’eveil des muses“ ist mein Favorit, fordert aber volle Konzentration vom Hörer, ist es doch eine fast 7 minütige langsame Steigerung einer einzigen Melodie. Das Titelstück klingt fast schon abgeklärt und rock/poppig (vor allem durch die Pianolinie im Refrain) und leitet damit zum größten Bruch über: Mit Gastsänger Neil Halstead verwandelt sich „Away“ in eine liebliche Ballade, Lichtjahre vom Vorgängeralbum entfernt. Und nach weiteren ruhigen 10 Minuten „Délivrance“ ist Shelter beendet. Wieder bin ich eingelullt von Neiges wundervoller Stimme und natürlich sind Alcest allein durch die Songstrukturen noch unverkennbar sie selbst. Doch muss man sich als Fan wohl langsam gefallen lassen, lupenreine Kuschelmusik zum Wohlfühlen zu hören. Neige hat seiner Musik eine weitere und deutliche Kante geraubt. Das wird einigen vor den Kopf stoßen, ich vermisse diese Elemente schlichtweg, weil ich sie so passend, so schön und so wichtig fand für das Gesamtkonzept. Und es wird mir zu wenig als Ersatz geboten um wirklich zu entflammen und um sagen zu können, dass Alcest einen in meinen Ohren sinnvollen Pfad weitergehen. Vielleicht bringt Album Nummer 5 ja dann Klarheit, wen oder was Alcest zur Zeit darstellen soll, ‚Shelter‘ ist kuschelig und schön, aber kann nicht mit der Tiefe des Vorgängers mithalten.