Absurd Minds - Confessions

Absurd Minds - Confessions

Seit fast drei Jahrzehnten gehören ‘Absurd Minds’ zu den festen Größen der deutschen Dark-Electro- und Futurepop-Landschaft – eine jener Bands, die man sozusagen schon fast als Naturkonstante der Szene betrachten könnte. Gegründet 1995 von Stefan Großmann und Tilo Ladwig, begann alles mit einer Mischung aus Experimentierfreude, philosophischem Anspruch und der Hoffnung, dass Synthesizer irgendwann vielleicht doch einmal tun, was man ihnen sagt. 1999 kam der entscheidende Wendepunkt, als das Duo im legendären Bunker Strasse E in Dresden von Scanner entdeckt wurde – ein Moment, der die Laufbahn der Band maßgeblich prägte. Während der Arbeiten am zweiten Album ‘Damn The Lie’ wurde Timo Fischer, zuvor Live-Unterstützung, fest in die Band aufgenommen; 2006 folgte Toralf Nikisch, Sänger von ‘Legacy of Music’, der dem Projekt eine zusätzliche Stimme und kreative Tiefe verlieh. Aus einem elektronischen Herzensprojekt wurde nach und nach eine der verlässlichsten, charakterstärksten Bands des Genres.

Jetzt liegt mit ‘Confessions’ ein Album vor, das nicht einfach irgendein weiteres Kapitel eröffnet, sondern fast wie eine längst überfällige Selbstoffenbarung wirkt. Die Pressinfo spricht von einem Manifest über Wahrheit, Täuschung, Vergänglichkeit und dem Mut, Mensch zu bleiben – und ja, das klingt erstmal nach einem sehr großen Anspruch. Aber Absurd Minds wären nicht Absurd Minds, wenn sie solche Themen nicht mit erstaunlicher Natürlichkeit und ohne jedes Pathos verarbeiten würden. Schon der erste Eindruck vermittelt: Dieses Album will nicht glänzen, es will sprechen. Und zwar nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe – dort, wo es manchmal weh tut.

Musikalisch bleibt das Trio dem treu, was seine Identität seit jeher ausmacht: Dark Electro mit melodiösem Tiefgang, treibenden Rhythmen und dieser charakteristischen Mischung aus Kühle und Wärme, die man eigentlich kaum erklären kann – man erkennt sie einfach. Doch diesmal schwingt im Klang etwas mit, das ich so nicht erwartet hätte: eine Art sanfter Ernst, ein ruhiges Zugewandtsein. Die Songs fühlen sich an wie Seiten aus einem Tagebuch, das man eigentlich nicht verlegen wollte, das aber trotzdem plötzlich da liegt – offen, ehrlich und erstaunlich einladend. Die Welt ist nicht schwarz oder weiß, heißt es im PR-Text – und das Album setzt genau dort an: im Zwielicht, in diesem Zwischenraum, in dem nichts eindeutig ist, aber alles Bedeutung hat.

Die elf Stücke funktionieren wie ein thematischer Kreis, in dem große Gegensätze nebeneinander stehen dürfen: Kontrollverlust und Selbstverantwortung, Täuschung und Wahrheit, Fragmentierung und Zusammenhalt. Die Synths zeichnen weite Horizonte, die Beats geben den Herzschlag vor, und die Vocals wirken gleichzeitig reflektiert und zutiefst menschlich. Man spürt, dass hier nicht einfach Songs produziert wurden – es geht um Haltung. Um ein Gewissen, das spricht. Um den Versuch, in einer Welt, die sich manchmal wie ein chaotischer Nachrichtenstrom anfühlt, etwas zu finden, das nicht sofort zerfällt. Und nun zur persönlichen Meinung, denn genau hier wird es spannend: Ich mag dieses Album. Sehr sogar. Es hat mich erwischt – auf diese hinterhältig leise Weise, die gute Musik manchmal hat. Man hört hinein und denkt zunächst: „Schön, atmosphärisch, klassischer Absurd Minds-Sound.“ Und dann, ein paar Tracks später, sitzt man plötzlich da und grübelt über Wahrheit, Verantwortung und die Frage, ob man eigentlich selbst noch durchblickt in diesem Informations-Dschungel, der sich „Alltag“ nennt. Das Album macht nachdenklich, aber ohne belehren zu wollen. Es ist dunkel, aber nicht hoffnungslos. Es ist elektronisch, aber unglaublich menschlich. Und ja: Es hat Humor – nicht laut, nicht aufgesetzt, aber irgendwo zwischen den Zeilen grinst dieses Album und sagt: „Na, schon wieder versucht, dein Leben mit einem Algorithmus zu sortieren? Viel Glück.“ Genau das macht es sympathisch.

Im Fazit bleibt zu sagen: ‘Confessions’ ist ein Album für jene, die in elektronischer Musik mehr suchen als Energie. Für Menschen, die den Kopf nicht ausschalten, wenn der Bass einsetzt. Für Hörerinnen und Hörer, die nicht vor großen Themen zurückschrecken und sich gern in Zwielicht, Tiefe und Klarheit verlieren – manchmal alles gleichzeitig. Wer hingegen primär auf Clubhärte, Aggression oder simple, tanzflächenorientierte Strukturen aus ist, wird hier vermutlich weniger glücklich. Dieses Album ist kein Vorschlaghammer. Es ist eine Einladung. Eine Reflexion. Eine Beichte ohne Predigt. Und vielleicht genau das, was man in einer fragmentierten Welt hören möchte: ein ehrlicher, ruhiger, menschlicher Blick ins Innere – der erstaunlicherweise oft mehr über die Welt da draußen verrät als jede Schlagzeile.

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