51 Tracks gegen die musikalische Einöde: Artoffact feiert Kanada

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Während südlich der Grenze von Kanada ein seniler Präsident regiert, der in Interviews Kanada mal versehentlich mit Colorado verwechselt hat und sich offenbar ausschließlich von Chicken Nuggets und Fox News ernährt, zeigt das nördliche Nachbarland wieder einmal, dass man auch mit Anstand, Hirn und Haltung Eindruck hinterlassen kann. Und das nicht nur in der Politik, sondern – viel wichtiger – im Bereich, der uns wirklich bewegt: Musik.

Zum Canada Day am 1. Juli hat Artoffact Records eine Compilation veröffentlicht, die nicht weniger als ein akustisches Zeitdokument ist: ‘The State of Canada’. Auch wenn das Werk inzwischen bereits drei Wochen auf dem Buckel hat, ist es am heutigen 25. Juli aktueller denn je. Denn was hier an Vielfalt, Energie und Geschichte auf 51 Tracks zusammengetragen wurde, übertrifft locker das, was so mancher Release mit Marketingbudget X und Chartambitionen Y an Tiefe liefert.

Die Zusammenstellung ist ein wilder Ritt durch die kanadische Subkultur – angefangen bei archaisch klingendem Post-Punk über klirrenden Industrial bis hin zu rotzigem Noise Rock, düsterem Goth und allem, was sich dazwischen nicht entscheiden will. Viele der Songs sind Raritäten oder wurden bislang kaum öffentlich gemacht – was dem Ganzen den Reiz eines musikalischen Archäologiefunds verleiht. Hier schürft man nicht nach Gold, sondern nach klanggewordenen Eruptionen. Und man wird fündig. Ob Cevin Key (Skinny Puppy) mit seinem Solo-Material, Rhys Fulber mit gewohnt glaskalter Präzision oder neuere Namen wie Devours, Tunic, Actors oder Spectres – jedes Stück dieser Sammlung erzählt eine Geschichte. Mal kryptisch, mal aggressiv, mal zerbrechlich, aber nie belanglos. Die Compilation wirkt wie ein sorgfältig kuratierter Museumsrundgang – nur dass hier keine Schilder auf Sicherheitsabstand hinweisen, sondern Lautsprecher dich direkt am Kragen packen.

Auch in Sachen Dramaturgie zeigt ‘The State of Canada’, dass ein Sampler mehr sein kann als nur eine digitale Ramschkiste. Der Spannungsbogen ist so konsequent wie abwechslungsreich. Wer sich auf das Album einlässt, taucht ab – und zwar tief. Dabei entdeckt man längst Vergessenes, erlebt Unerwartetes und bekommt manchmal sogar Gänsehaut. Nicht aus Nostalgie, sondern weil echte Kunst eben auch heute noch wirken kann. Dass dieses Mammutwerk kostenlos zu haben ist, grenzt fast an Sabotage im besten Sinne. In einer Welt, in der manche schon für algorithmusoptimierte Seichtheit ein Abo verlangen, wirkt dieser Sampler wie ein trotziges Statement: Musik gehört gehört – und zwar ohne Schranken. Ein Geschenk, das ganz Kanada ehrt, aber auch weit darüber hinaus leuchtet.

Fazit: ‘The State of Canada’ ist keine Compilation, die man mal eben weghört – es ist ein musikalischer Roadtrip durch Untergrund und Überzeugung. Laut, liebevoll, ungeschönt. Und ganz nebenbei ein akustischer Beweis dafür, dass man auch ohne große Sprüche sehr klar sagen kann, was Sache ist. Wer also noch einen Rest Neugier in den Gehörgängen hat: Jetzt ist der perfekte Moment, um sie zu aktivieren.

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