Küchenmesser, Hasenohren und Bassmassagen – IAMX im Ampere

Küchenmesser, Hasenohren und Bassmassagen –...

Der Wonnemonat Mai begann in München mit einem musikalischen Faustschlag ins Glückszentrum. Während draußen beim Frühlingsfest auf der Theresienwiese die Bierbänke ächzten, verwandelte sich ein paar Ecken weiter das Ampere im Muffatwerk in eine dunkelbunte Parallelwelt. Schon beim Betreten der Location war klar: Hier treffen Backsteinmauern auf Bassgewitter, hier gibt’s kein Pardon für schlechte Laune oder flache Schuhwahl. 

Pünktlich um 18 Uhr öffneten sich dann die Tore, und gegen 19 Uhr durften wir uns auf die Supportband Ductape freuen – ein türkisches Post-Punk-Duo, das klang, als hätten Joy Division und She Past Away heimlich in Istanbul Urlaub gemacht. Sängerin Cagla hypnotisierte mit Tanzmoves, die irgendwo zwischen Bauhaus und Ballettunterricht bei Nosferatu lagen – und verdrehte mit intensiver Mimik und dunklem Charme so manchem Fan die Netzhaut.

Doch dann kam: IAMX! Licht aus, Herz an – und auf die Bühne schwebte kein Geringerer als Chris Corner, der Gründer, Kopf, Körper, Geist und gelegentlich auch Therapiestunde dieses Projekts. Wer ihn noch nicht live erlebt hat, dem sei gesagt: Er ist nicht einfach Musiker, sondern ein Gesamtkunstwerk irgendwo zwischen dystopischem Ballett, Glamour-Gruftie und schamanischem Performance-Künstler. Das Outfit? Anfangs ein mysteriöser, dunkler Fummel, der so wirkte, als hätte man einem viktorianischen Nachtmahr ein Cape mit eingebautem Buckel umgehängt. Vielleicht eine Hommage an den Glöckner von Notre-Dame? Vielleicht auch einfach nur: IAMX-Mode. Der Look machte auf jeden Fall Eindruck – und Rücken. Doch spätestens nach ein paar Songs, als die Temperatur im Ampere den Aggregatzustand „Saunazustand mit Strobo“ erreichte, war Schluss mit Stoff: Corner entledigte sich des Oberteils und stand da, wie ein schwitzender, aber stilvoller Prophet im Halbdunkel. Ein kluger Move – nicht nur aus praktischer Sicht, sondern auch fürs Publikum, das das mit Jubel goutierte.

Natürlich trug er irgendwann auch wieder Hasenohren, weil: Warum nicht? Zwischen Elektro-Drama und Körperkult ist bei IAMX immer auch ein bisschen Karneval der Dunkelseelen angesagt. Und was für ein Fest das war! Jeder Song ein Stich ins Emotionszentrum, jede Geste eine choreografierte Offenbarung. Chris Corner lebt diese Musik, atmet sie, zelebriert sie – und schafft es dabei, gleichzeitig entrückt, verletzlich und völlig überdreht zu wirken. Man kann sich dem kaum entziehen, will man auch gar nicht. "Disciple" eröffnete das Set – ein dunkler Auftakt mit viel Wumms, gefolgt von "The X ID", das so hypnotisch waberte, dass man fast vergaß, wie stickig es in dem liebevoll beleuchteten Backsteinbau schon war. "Sailor" trieb uns dann mit salziger Schwermut direkt in die Arme von "Aphrodisiac", einem Song, bei dem das Publikum kollektiv beschloss, dass Tanzen auf engstem Raum auch eine olympische Disziplin sein sollte.

Spätestens bei "After Every Party I Die" sangen alle mit – es war wie eine Selbsthilfegruppe mit Lichtshow. "Grass Before the Scythe" und "Break the Chain" kamen fett, wuchtig, und mit einem Bass, der einem das Zwerchfell wie ein vibrierendes Massagesitzkissen behandelte. Und dann: "I Come With Knives" – das Publikum wartete gespannt darauf, dass Chris seine Küchenmessersammlung präsentiert, oder sich zumindest stilecht mit einem Buttermesser in Szene setzt. Tat er nicht. Stattdessen gab’s eine der energetischsten Performances des Abends. Applaus, Gänsehaut, kollektives Durchdrehen.

Mit "Neurosymphony" ging’s kurz in die Sphären der verkabelten Hirnzellen, "Exit" ließ uns fast glauben, es sei schon vorbei – aber nein, noch lange nicht! "Spit It Out" kam dann etwas dünner daher, fast schon zärtlich – wie ein Emo-Vampir, der sich für seine Bissigkeit entschuldigt. Aber hey, selbst ein „dünner“ IAMX-Song hat mehr Charakter als drei Chart-Acts in einer Bügelmaschine. Dann: "The Great Shipwreck of Life" – ein episches Finale vor dem Encore, das dem Namen alle Ehre machte. Soundgewalt, Pathos, Endzeitvibes. Und als ob das nicht reichte, folgte mit "The Alternative" ein echtes Fanherz-Stück und "No Maker Made Me" als letzter Song ein Statement gegen jede Form von Stillstand. IAMX eben – zwischen Selbsterlösung, Wahnsinn und Synthie-Gottheit.

Fazit: Ein Konzert, das einem das Gefühl gibt, gleichzeitig eine Therapie, einen Rave und eine Oper erlebt zu haben. Das Publikum? Überraschend bunt gemischt, von Cyber-Goths über Indie-Kids bis hin zu Menschen, die vermutlich dachten, sie seien auf einem Yoga-Retreat gelandet. Am Ende waren aber alle durchgeschwitzt, beseelt – und vielleicht sogar ein bisschen verliebt in Chris Corner. Vielleicht mein Konzert-Highlight 2025. Und das schon am 1. Mai – kann weg, also der Rest des Jahres.

Ach ja... natürlich haben wir auch fleißig Bilder mitgebracht und stellen Euch diese hier in einer fotogenen kleinen Bilderstrecke zur Verfügung. Aber – Hand aufs Kameraobjektiv – die Qualität ist, sagen wir mal: eher künstlerisch als professionell. Denn wir sind weder Fotoprofi noch Kamerakind, sondern eher so der Typ „Knipsen statt Belichten“. Deshalb: Wenn DU Bock hast geile Konzerte zu besuchen, in der ersten Reihe zu stehen ohne peinlich mit dem Handy rumzuwackeln – und stattdessen mit einer echten Kamera Bilder zu machen, dann melde dich bei uns! Wir suchen dich – ja genau, dich mit dem guten Auge, dem festen Stand und der Leidenschaft für Musik und Live-Atmosphäre! Schreib einfach an redaktion@medienkonverter.de – wir freuen uns auf dich, dein Talent und deine Linse.



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