Wenn man die Geschichte der Band ’Cut.Rate.Box’ erzählen will, beginnt sie nicht in Berlin oder London, sondern im schwülheißen Florida des Jahres 1989. Während in diesem Jahr ein gewisser Donald Trump als schmieriger Immobilienzampano in Atlantic City gerade seine überkandidelten Casino-Träume gegen die Wand fuhr – und wohl besser dort im Neonlicht hängen geblieben wäre – gründete Greg Wygonik dort ein Projekt, welches statt peinlicher Deals eher elektronische Substanz liefern sollte: Nämlich ’Cut.Rate.Box’.
Anfangs noch als Solo-Unterfangen mit gelegentlichen Gastmusikern gestartet, gesellten sich bald Shred und Chuck Kelly hinzu. Erste Auftritte im Vorprogramm von Die Warzau, Pigface, Foetus oder Alien Sex Fiend folgten schnell und machten klar: hier ist nicht die nächste Eintagsfliege am Werk, sondern ein Projekt mit Biss. 1992 zog es Wygonik nach Chicago, mitten hinein in das Epizentrum von Industrial und EBM. Dort erschienen neue Versionen des frühen selbstbetitelten Tapes, es gab Szenelob von Permission und Industrial Nation, und in legendären Clubs wie dem Neo wurde die Bühne zum Labor für elektronische Eskalation.
Später in New Orleans traf Wygonik auf Clint Sand (Ex-Voto), und die Chemie stimmte sofort. Mit der EP „BlueIceBlack“ (1999) kam der Sprung auf internationale Labels wie WTII (USA) und Accession Records (Europa). Plötzlich teilte man sich Bühnen mit Nine Inch Nails, Pop Will Eat Itself oder Clan Of Xymox, spielte beim Convergence-Festival oder als Headliner bei Infest. Mit den Alben „New Religion“ und „Dataseed“ eroberte man die CMJ-Charts, tourte durch Europa und Nordamerika und mischte sich endgültig in die Oberliga der elektronischen Szene.
Und was war dann?: Funkstille. Zwei Jahrzehnte lang. Die Welt drehte durch mit Social Media, Fake News und Dauerempörung, während von ’Cut.Rate.Box’ nichts mehr zu hören war. Bis eben Juni 2025: „Reel Life“ tauchte plötzlich auf, samt Video – ein Schlag ins digitale Gesicht, der sofort auf die Tanzflächen krachte. Kein vorsichtiges Comeback, sondern ein Statement.
Jetzt wird die Rückkehr vollendet: Mit der EP „Luxury Anxiety“ legen ’Cut.Rate.Box’ ein vierteiliges Konzeptwerk vor, das wie eine kleine Oper für unsere nervöse Gegenwart wirkt. Wut, Resignation, Ambivalenz, Sehnsucht – alles kanalisiert in Tracks, die Synthpop-Hooks mit Punk-Schärfe und technoider Härte verquicken. „Isticism“ kommt mit einem hypergeschnittenen, generativen Video, das so hektisch flimmert wie die Gegenwart selbst, während „Reel Life“ nun im größeren Kontext wirkt: als Dreh- und Angelpunkt einer Erzählung über Zerfall, Scheinwahrheiten und den Versuch, aus dem Schutt noch so etwas wie Hoffnung zu destillieren.
Das Beeindruckende: ’Cut.Rate.Box’ vermeiden jede Nostalgie-Falle. Natürlich blitzen Erinnerungen an Cabaret Voltaire, Wire, Tones On Tail oder Brian Eno auf – und wer Haujobb, Covenant, Assemblage 23 oder VNV Nation liebt, wird hier sofort andocken. Aber „Luxury Anxiety“ ist kein Retro-Trick, sondern eine wuchtige Bestandsaufnahme des Jetzt. Hier wird nicht zurückgeblickt, hier wird gesendet – mit voller Wucht.
Zwei Jahrzehnte Stille, ein Paukenschlag: ’Cut.Rate.Box’ mit neuer EP

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