Zirkular Dion ist, soweit ich das recherchieren kann, eine ukrainische Ein-Mann-Interessengemeinschaft, die sich der Pflege des musikalischen Brauchtums elektronischer Art widmet. Mit "Chernye Rty" liegt nun die erste Veröffentlichung des Barden für den heimischen Markt vor. Warum hat eigentlich keiner dieser Nasen irgenwelche Infos auf seinem Facebook-Profil stehen? So kann man doch nicht anständig recherchieren. Der bürgerliche Name des Künstlers ist mir also unbekannt, darüber hinaus finde ich keine Hinweise auf eventuelle frühere musikalische Gehversuche im osteuropäischen Raum. Der erste Youtube-Eintrag mit dem Tag "Zirkular Dion" ist gerade einmal ein paar Tage alt... Einen digitalen Rüffel verteile ich auch an das Label "Detriti" aus Berlin: Was ist aus den guten alten Presseinfos geworden??? Wahrscheinlich hat sich Zirkular Dion einfach aus einer anderen Dimension heraus hier materialisiert. So, nun ist die Einleitung lang genug und wir kommen zur eigentlichen Rezension (Für die ich mich zusätzlich durch den kyrillischen Buchstabensalat von "Word" quälen musste).
"Мусор" catcht mich sogleich mit einem herrlichen Basslauf und klassischem EBM-Drum. Der Song ist einfach, geht voran und die Stimme ist angenehm unverzerrt. Variationen kommen nur durch elektronische Spielereien am Basslauf und hier und da einem Hihat und verzerrtem Synth. Ich glaube kaum, dass dies das erste Projekt des Musikers sein soll. Das klingt nämlich jetzt bereits alles stark in Ordnung. Gediegener geht es in "Везунчик Молодец" zu, der Bass beginnt und irgendwann unterstützt eine Snare den schleppenden Beat. Alles sehr harmonisch und die Stimme klingt positiv gelangweilt. Irgendwann kommt ein Stakkato-Synth über alles drüber und bringt eine kleine Aufregung in die Tristesse. Die Stimme haucht kehlig dazu. Schneller und zielgerichteter steuern wir bei "Воровка ССС" in Richtung Tanzfläche. Ein wunderbar unaufgeregter Sound versucht hier etwas musikalische Varianz in den straighten Basslauf zu bringen. Positiv schleppend beginnt "Мир Труд Май". Im Drumpart gibt es die ein oder andere Spielerei. Ansonsten begeistern die sparsamen Sound-Inserts und bringen Aufruhr in die fast gebetshafte Sangesdarbietung. Jetzt sind wir zur Hälfte durch und, ich bin beeindruckt. Hier gefällt mir jeder Titel. Das klingt gekonnt und ist zudem noch professionell gefertigt. "Мир Труд Май" reibt die Stimmung durch verzerrten Bass auf und klingt drängend, ein flackernder Lasersound im Hintergrund und ein Hihat beschleunigen die Show zusätzlich. Ein monotoner Bass bildet den Einstieg für "Дьім". Erst, als aus dem Hintergrund ein Synth hervorschwebt ändert auch er kurzfristig die Tonhöhe. Der Bass bleibt jedoch, trotz verschiedener Syntheinsätze, immer federführend. Erst gegen Ende des Songs eskaliert alles in Aufregung, da wird auch der Basslauf mitgerissen. Sonorer stellt sich "Кольт" vor. Hier gibt es wieder das Stilmittel der pulsierenden Bassverzerrung, unterstützt von verschiedenen Synthvariationen im Hintergrund. Der Gesang klingt fast flehend gelangweilt. Im typischen EBM-Schritt-Sound kommt "Кօкаин" daher. Wieder ist es der dunkle Rhythmusgeber, der den Song ausmacht. Ab und an klatscht ein Snare in den variierten Drums. Ein Phasensound drängt sich hinterhältig ab und an ins Hirn. Nach 25,50 Minuten ist dann alles vorbei. LEIDER VIEL ZU SCHNELL.
Leute, ich habe wieder eie wirklich lohnenswerte Perle entdeckt. Hinter Zirkular Dion verbirgt sich Oldscool-EBM vom Feinsten. Wer mit Klassikern von DAF oder Nitzer Ebb etwas anfangen kann, ist hier genau richtig. Kein großes Chichi, keine Palaverei. Das ist reduziert auf das Beste, das Wesentliche. Es ist auch vollkommen egal, das die Texte auf Ukrainisch vorgetragen werden. Im Gegenteil gibt das dem Ganzen noch eine zusätzliche Note. Dem geneigten Wandler durch Electro-Welten empfehle ich dringend hier seine Lauscher aufzuspannen und sich auf die VÖ einzulassen, man kann es gar nicht bereuen. Die Produktion ist abwechslungsreich, knackig und niemals ermüdend. Erhältlich ist "Chernye Rty", wie gesagt über das Label "Detriti". Als Formate stehen Tape und der digitale Download zur Verfügung. Da es der Independent-Schiene, gerade in der derzeitigen Situation, ziemlich dreckig geht, rate ich an hier den ein oder anderen Euro mehr locker zu machen. Der Erwerb der VÖ erfolgt mit Mindestbeitrag, man kann aber durchaus mehr investieren, wenn man denn möchte. Bei dieser Band ist die Kohle sicher gut angelegt, bei einem Label, das diesen Künstler unterstützt, sowieso.