Erst vor wenigen Tagen wurde das 13 cm x 14 cm x 2,5 cm messende Kunstwerk von bayerischer Hand veröffentlicht - mitten im tiefsten Winter, bei subhumanen Temperaturen - und im Grunde ganz passend: Die CD-Box, deren Titel (sowie der Name des Projektes) nichts anderes als "Null Grad" bedeutet – und null Grad zaubert ein gesunder deutscher Winter nun mal problemlos auf das Thermometer – präsentiert sich in einem strahlend weißen Pappkarton. Weiß – Sinnbild für den Winter und für Kälte – und im Falle von Zero Degree – für kühle, minimalistische, aber tiefgehende, rein elektronische Klangstrukturen. Zero Degree ist ein Seitenprojekt von Nihil, der unter dem Namen Painslut bereits auf einige Veröffentlichungen sowie etliche Auftritte hierzulande und im europäischen Ausland, u.a. in Frankreich, zurückblicken kann. Während sich Nihil mit Painslut erfolgreich im heftig rumpelnden Noise-/Industrial-Bereich bewegt, schlägt er mit „Zero Degree“ ruhigere, aber nicht weniger spannend und durchdacht arrangierte Sound-Pfade ein. Mit der Leichtigkeit fallenden Schnees und der erdrückenden Schwere von Blei bahnen sich die Songs langsam, aber unaufhaltsam den Weg ins menschliche Gehör, um im Gehirn wie eine Droge zu wirken – eine Droge, die entspannt, erlöst und Wege ins Unterbewusste öffnet. Pulsierende Ambient Soundscapes, minimalistische, tranceartige Rhythmen sowie spärlich, aber effektvoll eingesetzte, verfremdete Voices öffnen das Tor zu einer Reise ins innere Ich – zu einer Bewusstseinserweiterung, die süchtig machen kann und dennoch ungefährlich ist. Titel wie "From Within", "Zero Degree" oder "Into the light" verströmen eine hypnotisierende Ruhe und die anfänglich verspürte Kühle weicht einer wohligen Wärme, die sich schnell im Körper ausbreitet. Wie ein magisches Ritual entführt Zero Degree den Hörer in eine befremdliche, unbekannte und unheilschwangere Anderswelt, für die sich nur schwer adäquate Zeichen oder Worte finden lassen – denn in dieser Welt, in diesen Welten regieren der Ton, die akustischen Signale, Schallwellen in ihren unterschiedlichsten Ausprägungen. Rhythmusorientierte Tracks wie "Irie" oder das leicht Tribal-angehauchte "Pitch Black", die auch ohne stampfende Bässe auskommen, fordern den Körper geradezu heraus, sich in ekstatischen Bewegungen vom Geist zu lösen und neue Grenzerfahrungen zu suchen. "Forward" hingegen trägt mit seinem monotonen, aber fordernden, einprägsamen "Sprechgesang" einen tiefdunklen, fast martialisch anmutenden Ritual-Charakter. Nihil ist mit Zero Degree ein vielschichtiges, experimentelles und trotzdem sehr homogenes Album mit Soundtrack-Qualität gelungen, das nicht nur "Unterhaltungs"-, sondern auch Entspannungscharakter besitzt und das Ausklinken aus dem Stress-belasteten Alltag leichter macht. Als Freund von anziehender und wirkungsvoller Ästhetik sind seine eröffentlichungen auch immer ein optischer Genuss: Zu jedem der acht Tracks ist der Box eine quadratische Karton-Karte mit Foto-Aufdruck in edlen Weiß-Blau-Grau-Tönen beigelegt, die das jeweilige Song-Thema perfekt unterstreicht. Obenauf schließlich liegt eine Titel-Card, die, wenn man genauer hinschaut, den Meister selbst als Strahlemann zeigt – ein Mann mit Humor eben! Zero Degree ist ein Sammlerstück und Pflichtkauf für Freunde des besonderen Kunst-Geschmacks. Über das Label Audiophob ist die CD-Box für 12 Euro erhältlich.