Hatte ich nicht gerade noch das Soloprojekt Morgue Poetry von Konstantin Michaely in meinem Player? Schöner, textlich etwas sehr banaler und kitschiger Folk – alles in allem musikalisch ein mehr als gelungenes Werk. Doch auch mit seinem Hauptprojekt ist Michaely umtriebig und bringt zusammen mit Mitstreiter Nickolas Eckstein das zweite Album "From the cradle to the coffin" heraus. War das Debüt "The tragedy of seconds gone" gut gemachter Goth Rock, der zwar nicht unbedingt das Genre wieder aufblühen ließ (wie es das Label Danse Macabre versprach), aber immerhin einen guten Eindruck machte und zu zahlreichen Auftritten unter anderem auf dem WGT führte, muss man auf Album Nummer zwei beweisen, dass man auch auf lange Sicht etwas zu bieten hat.

Ich muss es ja gestehen, optisch überzeugt mich das Duo auch mit vorliegendem Werk, denn ich habe eine Schwäche für Jugendstil und morbide Comicgrafiken. Doch das darf nicht alles sein, hören wir also rein. Nach einem angenehm angestaubt klingenden Piano-Intro, bei dem Michaely seine schöne Stimme präsentiert, die typisch sonor und auf Albumlänge wie so oft in diesem genre ein wenig eindimensional wirkt, ist "Spirits that I called" ein reißerischer, urtypischer und grundsolider Opener. Sägende Gitarren, tuckernder Drumcomputer, omnipräsente, aber nicht erschlagende Elektronik und ein wehmütiger, immer etwas aufgesetzter Gesang: Das Stück überzeugt Dank gelungener Melodie und guter Ausarbeitung - der Genrefan suchte Goth Rock und erhielt ihn auch. Ein wenig Sisters, ganz viel Dreadful shadows, gesanglich manchmal an Type o Negative erinnernd und die Elektronik der frühen Stücke von Fair Sex - klasse Stück. Der Rest des Materials ist dann aber leider an keiner Stelle mehr so peppig oder mitreißend: „Don't dig deep in the shallow“ könnte melodisch von einer der späteren HIM stammen, wirkt aber unfertig und ungünstig gemixt (die harten Gitarren, die irgendwann einsetzen, wirken eher fehl am Platz als schlüssig eingebettet), das doomige „The reaping ist mit über acht Minuten Spielzeit 4 Minuten zu lang, „Vanitas“ ist ein weiteres Piano-Intro – nett aber auch nur nett. Immerhin, nach dem auch nur soliden „Blood is life“ kann „Beautiful & broken“ immerhin mit einem netten Zusammenspiel von Piano und Gitarren und einen schön dramatischen Refrain aufwarten. Die letzten drei Songs des Albums sind leider auch nur gehobener Durchschnitt ohne wirkliche Power oder echtes Hitpotenzial. Es ist schön, dass „Cruelty of time“ die Melodie des Intros aufgreift und in eine an The last dance erinnernde Hymne verwandelt, jedoch kann das Duo zu keinem Zeitpunkt wirklich umhauen.

Und so scheitern Wisborg in meinen Ohren an der gleichen Hürde, die bereits unzählige Bands vor ihnen im Bereich Goth Rock zu Fall brachte: Es ist eine Kunst, in einem Segment, dass so sehr von der Monotonie im Sound und sonorem Gesang lebt, wirklich zu ergreifen und viel zu vielen misslingt der Versuch und sie produzieren leider schön klingende Massenware, die viel zu schnell wieder aus den Gehörgängen verschwindet.