Ihr kennt das ja: Wir tun alles für euch. Wir lesen schlechte Promotexte, hören uns tapfer durch EPs mit acht Remixen desselben Songs – und manchmal, ganz selten, schicken wir jemanden sogar raus in die echte weite Welt. Diesmal hat’s unseren Kollegen aus den USA erwischt, der sich ohne Gegenwehr auf ein kleines Abenteuer eingelassen hat: das 'Dark Force Fest 2025' in Parsippany, New Jersey. Klingt weit weg? Klingt unscheinbar? Mag sein – aber wer schon einmal von einem Schloss mit Kronleuchtern in Empfang genommen wurde, die wirken, als hätte man sie aus schwarzem Acryl und dem Inventar einer Vampir-Soap gebaut, weiß: Hier wird’s ernst. Und da der Eventkalender mit drei vollgepackten Tagen prahlte, war klar: Wir brauchen da jemanden unbedingt vor Ort. Leider reichte unser Budget exakt für einen einzigen Festivaltag – aber hey, das Sheraton sieht nachts sowieso besser aus, und wir hatten immerhin genug Geld für Cola Light.Bevor wir in die Details gehen, ein paar Rahmenbedingungen für euch: Das Festival selbst lief von Freitag, 2. Mai, 17 Uhr bis 2 Uhr morgens, ging am Samstag ab 12 Uhr weiter bis erneut tief in die Nacht und endete am Sonntag, 4. Mai, gemütlich um 21 Uhr. Wer besonders eifrig war – oder einfach nicht genug schwarze Klamotten ausführen konnte – durfte sich bereits am Donnerstagabend bei der offiziellen Pre-Party im QXT’s in Newark aufwärmen. Kostenlos für Drei-Tage-Ticketbesitzer*innen, 20 Dollar für alle anderen. Anreise mit ÖPNV war vermutlich stilecht im Nebel nicht möglich.
Das Festival selbst wird von den VampireFreaks organisiert – einem Namen, den viele vermutlich noch aus einer Zeit kennen, als MySpace modern war und der Szene-Nachwuchs nicht schon beim Aufstehen Rückenschmerzen hatte. Seit 1999 sind Jet VF, seine Partnerin und – kein Witz – ein schwarzer Kater für Events verantwortlich, die sich irgendwo zwischen Gothic-Treff, Szene-Seminar und Diskokugel-Delirium bewegen. Man kennt sie u.a. als Veranstalter von Dark Side of the Con, Cybertron, Triton Festival oder The Black Parade. Also eine Mischung aus Erfahrung, Subkultur-Feingefühl und wahrscheinlich zu viel Koffein. Nun also Dark Force Fest. Im Sheraton. Mit einem Tagesprogramm, das von Workshops über Panels bis zu Livebands reichte.
Es gab sogar einen Tanzkurs für Industrial. Und es gab eine Menge Flure, durch die sich Menschen in Bondage-Harnesses, viktorianischen Kleidern und LED-Antennen friedlich begegneten. Schon beim Betreten fiel auf, was für ein Kontrast zu anderen Veranstaltungen in den USA herrschte: keine Sicherheitskontrollen, keine Metalldetektoren, keine gelangweilten Guards mit Leuchtstab. Einfach rein, Armband um, fertig. In einem Land, in dem man mittlerweile selbst an der Schultoilette gefilzt wird, ist das fast schon ein sozialpolitisches Statement – oder einfach nur das Resultat davon, dass man seiner Community vertraut.Am Freitag – der Vollständigkeit halber – startete das Festival mit all dem, was Szeneherzen höherschlagen lässt. Wir waren zwar nicht da, haben aber gehört: Es gab Tanzkurse, Panels, Beborn Beton, Suicide Commando, DJ-Schichten ohne Gnade und sehr viel Bass. So weit, so erwartbar. Unser Redakteur war allerdings – Tusch, Konfetti, Budgetdeckel! – nur am Sonntag vor Ort, aber immerhin lang genug, um ein paar echte Hochkaräter zu erleben: God Module, Klutæ, Funker Vogt, Covenant und, zur Krönung des Tages, Die Sexual.
God Module setzten gewohnt auf das, was man in Fachkreisen als „Elektroschock in Musikform“ bezeichnet. Klutæ gab sich charmant-chaotisch mit Industrial-Rumpelcharme, bei dem der Schweiß mehr floss als das Bühnenskript. Funker Vogt wirkten erstaunlich wach für einen dritten Festivaltag – Pommes sei Dank – und lieferten mit Sonnenbrillen und gewohntem Pathos eine solide Show ab. Covenant schließlich standen ganz am Ende und entließen das Publikum mit einer eleganten Mischung aus Melancholie und Bewegungstherapie für die unteren Extremitäten. Besonders hervorzuheben: Die Sexual – halb Kunstprojekt, halb Dadaismus mit Beat – präsentierten sich irgendwo zwischen ironischem Tanzhalluzinat und Berliner Kellerbar. Nicht alle verstanden es, aber alle klatschten.
Auch am Sonntag blieb die Szene zugänglich und durchweg freundlich. Die Künstler*innen bewegten sich weiterhin frei durchs Publikum, standen am Merch, holten sich Snacks oder winkten aus dem Aufzug. Unser Redakteur begegnete erneut den Funker Vogt-Herren, diesmal im neutralen Habitat: vor dem Getränkeautomaten.Fazit: Das Dark Force Fest ist kein Spektakel im Sinne von Bombast, sondern eines im besten Sinn: ein sympathisches, liebevoll organisiertes Treffen all jener, die ihre dunklen Leidenschaften mit Gleichgesinnten teilen wollen – ohne Marketingshow, ohne Zynismus, ohne überzogene Preise. Dafür mit leichtem Basstrauma, freundlichen Gesichtern, zu viel Merchandise im Koffer und dem angenehmen Gefühl, hier keine Rolle spielen zu müssen.
Wir haben - wie gesagt - leider nur einen Tag miterlebt, aber der hatte es wirklich in sich. Und wenn wir ganz ehrlich sind: Wahrscheinlich war das auch genug. Schließlich muss sich das Gehör irgendwann auch mal erholen – und das Spesenkonto sowieso.