Wie beabsichtigt brachen wir also noch einmal auf, um uns zum heidnischen Dorf zu begeben. Hier sah es dann schon wesentlich voller aus als am Vortag. Um den feierlaunigen Anwesenden genug Raum zur Entfaltung zu bieten hatte man das DJ-Zelt auf die benachbarte, größere Wiese verlegt. So war es denn auch möglich mit genügend Abstand zu tanzen. Eine ungesagte Aufforderung, der die Leute nur zu gern nachkamen. So wurde wie in alten Zeiten zu Synth- und Darkwave-Klängen eine schleppende Sohle auf den Rasen gelegt. Und, was ist an jedem WGT ein liebgewonnenes Goodie? Was für Wacken die Feuerwehrkapelle, das ist für das WGT „NOCTULUS“! Und auch er hatte den Weg ins heidnische Dorf gefunden, um mit einer Special-Performance die Anwesenden zu „erfreuen“. Pünktlich um 20:00 Uhr sollte dann die Führung zur Geschichte des WGT beginnen, der wir uns natürlich anschließen wollten.
Gleich zu Beginn erläuterte der Vortragende dann, dass er selbst ja seinen Zugang zur Szene im Jahr 1996 gefunden hatte. Nun, dass war ja jetzt nicht ganz so schlimm (obwohl das erste WGT ja auf das Jahr 1992 datiert wird), als er mir als alten Ossi dann aber erklären wollte, wie die Szene in der DDR ausgesehen hat musste ich dringend intervenieren. Denn in der DDR im Jahre 1987, als ich auf die dunklen Pfade fand, war das Gruftileben dann irgendwie doch ganz anders, als uns der Wikipedia-belesene Herr weismachen wollte. Spätestens, nachdem er uns dann erläuterte, dass das WGT in Leipzig nur aus dem Grund stattfindet, weil der Boden hier durch die Völkerschlacht anno 1813 (auch das Jahr erfuhr er erst durch den beherzten Einwurf einer Teilnehmerin der Tour) so blutgetränkt ist, hatte er uns verloren und wir setzten uns bei der nächstbesten Gelegenheit ab. Den Rest des Abends verbrachten wir dann damit uns über die gehörten Unsinnigkeiten zu amüsieren.
Irgendwie war es dann auch empfindlich kalt geworden, so dass wir uns zur Nachtruhe begaben. Denn schließlich gab es am Sonntag das Highlight schlechthin, das erste Konzert seit 1 ½ Jahren, und es war komplett legal und überhaupt. Voller Erwartung und nach negativem Schnelltest stand dem Vergnügen dann auch nichts mehr im Wege, wir lösten überglücklich unsere personalisierten Eintrittskarten ein. Nachdem wir von den netten Mitarbeitenden des Hellraiser auf die Corona-Regeln hingewiesen wurden, erstand ich mein erstes Bier und begab mich zu meinem Sitzplatz. Der Hellraiser zu Leipzig hatte seinen Außenbereich kurzerhand in ein mit Bierzeltgarnituren komplett bestuhltes, kleines Festivalgelände verwandelt. Irgendwie war es fast wie früher.
Fast wie früher war auch die Band, die als Festival-Opener aufgetreten ist. „Gimme Shelter“ aus München/Leipzig eröffneten den Abend um 17:30 Uhr mit ziemlich belanglosem Synthie-Pop-Wave-EBM. Witzig daran war, dass sie in ihren Titeln wohlbekannte Sound-Inserts aus Szenehits einarbeiteten, wodurch man die Originale leider nur noch schmerzlicher vermissen musste. So kam denn das Duo über den Anstandsapplaus auch nicht hinaus.
Als nächste enterten „Unterschicht“ aus Leipzig die kleine Bühne. Geboten bekamen wir Hellectro-Sounds, die dadurch gewannen, dass die Sängerin die Songs regelmäßig durch ihre Einlagen auflockerte. Davon abgesehen hatte die Band auch erheblich mit technischen Problemen zu kämpfen. Immer, wenn ein Song sich aufbauen wollte, fiel auf einmal das Backing-Tape aus. Leider gelang es Technik und Band nicht das Problem zu lösen. Während „Unterschicht“ spielten geisterte zwischendurch das Gerücht durch die Reihen, man hätte von behördlicher Seite her das heidnische Dorf geräumt. Das stellte sich jedoch, nach Rücksprache mit Bekannten, die dort vor Ort waren als Fake News heraus. Es waren lediglich ein paar Behördenvertreter vor Ort, die die Veranstalter noch einmal auf die Überwachung der Einhaltung der Anstandsregeln hingewiesen hatten, ansonsten ging auch dort die Veranstaltung ungehindert weiter.
Nach einer etwas längeren Umbaupause enterten dann „Painbastard“ aus Leipzig die Bühne. Und erwartungsgemäß rockte das Projekt auch den Abend. Nun war auch der Moment gekommen, an dem es fast kein Halten für die Anwesenden mehr gab. Sehr viele standen von ihren Plätzen auf und setzten ihren MNS auf. Dann konnte man sich, Corona-Regelkonform, ein wenig am Platz der Musik hingeben. Natürlich kam die gute Dame am Merchandise nicht umhin unsere CD- und Shirtsammlung gegen monetären Gegenwert erheblich aufzufüllen. Nach einer Stunde „Painbastard“ war das Vergnügen dann auch leider viel zu schnell vorbei. Die Zugabe-Rufe konnten aufgrund behördlicher Auflagen leider nicht erfüllt werden. Trotzdem überglücklich begaben wir uns wieder in die Ferienwohnung, wo unsere zwei Fellnasen schon auf ihre Abendrunde warteten. Nun ist auch der Sonntag schon vorbei und das inoffizielle WGT neigt sich dem Ende zu. Für heute verbschiede ich mich erstmal mit dem Tagebuch zum WGT 2021 auf www.medienkonverter.de.