„Hallo, hier spricht Welle:Erdball, Symphonie der Zeit...“ Eines bleibt bei den niedersächsischen Kultelektronikern konstant – der Opener „Welle:Erdball“ wird auf jedem neuen Album in einer überarbeiteten Version vorgetragen. Für den Nachfolger vom totalen Chaos, „Tanzmusik für Roboter“, haben Honey, A.L.F., Frl. Venus und eine noch unbekannte neue Chanteuse, die jüngst als Nachfolgerin von Plastique gecastet wurde, eine recht minimalistische Interpretation erschaffen. Nach 49 Sekunden ist der erwartete Auftaktsong bereits Geschichte und macht Neugierde Platz, mit dem der Hörer eruiert, ob denn die brandneue CD dem avisierten Status eines „Meisterwerkes“ entsprechen kann. Welle:Erdball sorgten im Vorfeld auf jeden Fall für mächtig Aufregung. „Für diese Platte lassen wir uns Zeit, sie soll unser Meisterwerk werden“, verkündete Honey vor einigen Jahren. Nach dem mäßigen 80%-Coveralbum „Der Kalte Krieg“ , dem Independent-Film „Operation: Zeitsturm“, bei dem immerhin die Begleitmusik überzeugte, sowie der schicken Jubiläumsbox im vergangen Jahr, machte die gelungene EP „Computerklang“ Hoffnung auf die Erfüllung des meisterwerklichen Versprechens. Mit diesen hochtrabenden Erwartungen im Hinterkopf, waren die Ohren des Rezensenten beim erstmaligen Durchlauf der 13 vorab veröffentlichten Promo-Songs entsprechend kritisch-sensibilisiert und konnten daher fast zwangsläufig nur enttäuschend beschallt werden. Der dezent aggressive Beitrag „Gib mir meine Zukunft wieder“ basiert auf bekannten C64-Sounds, der pulsierende Refrain ist überaus einprägsam und wartet mit einem passenden Motto für die folgenden Hörerlebnisse auf: „Ich will mein Stück von dem großen Glück!“ Denn „Glücksgefühle“ sind es, die überwiegend die Stimmung des restlichen Liedguts dominieren. Knallender Electropop „Der Flipperkönig“ (Ohrwurmgarantie!), Mitschunkel-Chanson („Mensch gegen Maschine“), der Minimal-Schlager „Herzschlag-Alarm“ und „Mimikry“, ein klassischer NDW-Song, vermitteln zuckersüße Atmosphäre, die auch hervorragend mit dem auf der finalen „Tanzmusik für Roboter“-Version enthaltenen Klassiker „Ich bin aus Plastik“ korrespondiert. Doch Welle:Erdball würden mindestens 50% ihrer Fans enttäuschen, wenn nicht auch zumindest 2-3 krachendere Lieder das Tanzbein zum Zucken brächten. Zu dieser Kategorie zählen „Computersex“ („...bei 1000 Grad, ist so wie ich es mag...“), „Ich mach mich schön“ und „Des Wahnsinns Fette Beute“, das jedoch schon auf der CD-Version von „Computerklang“ enthalten war. Die Band fährt in knapp 45 Minuten Spielzeit alle liebgewonnenen Facetten ihres Klangrepertoires auf, ohne allerdings prägnante Innovationen einzubinden. Derartig unrealistische Wünsche sollte man ohnehin bei Welle:Erdball nicht hegen, doch schürte die Ankündigung, nahezu jedes Lied basiere auf verschiedenen Klangerzeugern, wie beispielsweise dem genialen 80er Jahre-Kinderzimmer Kultspielzeug „Senseo“, weitschweifende Assoziationen. Klar, der „Senseo“ verrichtet zu Beginn von „Mimikry“ zuverlässig sein Tagwerk, ist aber für den kompletten Song „nur“ Beiwerk und nicht strukturgebend. Persönlicher Favorit des Rezensenten ist das klirrende „Das Passwort“: subtiler Text, kratzende Synths, schön minimalistisch, C64-Power und selbstverständlich Welle-pur! Der Tiefpunkt wird von der gar gruseligen Coverversion „Die Gedanken sind frei“ markiert, hier dreht sich das Kirmeskarussell zu Marschmusik und militaristischen Stampfrhythmen, ein echter Ausfall. Aller Kritik zum Trotz bietet unser liebster Radiosender jedoch gewohnt zuverlässig-gute auditive Kost für seine treuen Hörer, mit einem Blindkauf machen langjährige Fans garantiert nichts falsch. Das angekündigte „Meisterwerk“ ist es aber nicht geworden, in der Bandhistorie bleibt nach wie vor „Der Sinn des Lebens“ mein persönlicher Favorit.