P. P. Pasolini war, wie man auch auf der ersten Seite des 8-seitigen Booklets erfährt, ein einflussreicher italienischer Regisseur, Schriftsteller und Maler. Die meisten werden ihn wahrscheinlich durch seinen Film "Salò o le 120 giornate di Sodoma" (dt. "Die 120 Tage von Sodom") kennen, der 1975/76 bei seiner Veröffentlichung einen Skandal auslöste und in zahlreichen Ländern verboten wurde. In diesem illustriert Pasolini in drastischer Weise den unmenschlichen Machtmissbrauch unter einem faschistischen Regime. Relativ kurz nach der Fertigstellung, am 02.11.1975, wurde er tot auf einem Fussballplatz in Ostia aufgefunden. Er ist mehrmals überfahren worden, doch die genauen Umstände seines Todes wurden nie vollständig aufgeklärt. Pasolini hat sich stark dafür engagiert, die Illusionen der gutbürgerlichen Schein-Welt, mit ihren geradezu zerstörerischen Konsequenzen, zu entlarven und die Menschen mit der ignorierten Wirklichkeit zu konfrontieren. So ging es ihm in seinen Werken nicht um simples Entertainment á la Michael Bay's Negativ-Beispiel "Transformers", sondern er wollte etwas Bedeutendes vermitteln und thematisierte Missstände der italienischen Gesellschaft, faschistoide Strukturen in autoritären Systemen, soziale Ausgrenzung sowie Probleme zwischenmenschlicher Beziehungen. Eine derartige Persönlichkeit hat es sicherlich verdient, ein Tribut-Album gewidmet zu bekommen. In diesem Fall Hochglanz-Kontroverse fürs CD-Regal sozusagen. Das Artwork ist sehr ansprechend und mit Bildern von Saturno Buttò versehen. Neben erwähntem Booklet enthält die Box noch eine Postkarte, sowie ein "magisches" Amulett. Und damit zerstört Rustblade auch ein wenig den positiven Eindruck, denn mit der Exklusivität eines, auf 696 handnummerierte Exemplare limitierten, Box-Sets hat ein Amulett, das nach der Beliebigkeit eines Esoterik-Ladens aussieht, nicht viel zu tun. Ich hätte mir hier etwas gewünscht, das einen stärkeren Bezug zu Pasolini's Person und Schaffen aufweist. Ein Blick auf die Liste der an dem Album beteiligten Künstler lässt jedoch über dieses Manko hinwegsehen. Hier findet sich eine illustre Schar aus nicht gerade unbekannten Vertretern von Industrial, Dark Ambient, Neofolk und Power Electronics zusammen. Die Beiträge sind, bis auf 2-3 Ausnahmen, speziell für diese Zusammenstellung produziert oder zumindest bisher nicht veröffentlicht worden. Da Coil schon auf ihrem 1986er Album "Horse Rotorvator" Pasolini ein Lied widmeten, liegt es nahe, dieses hier als Einleitung zu verwenden, waren sie doch selbst sozusagen Avant-Garde als Teil der Spitze experimenteller elektronischer Musik in Europa, und werden von vielen Künstlern als Einfluss genannt. Bahntier folgt mit post-apokalyptischem Ambient, durchsetzt mit z.T. verfremdeten Sprachsamples. Wie auch beim primär mit Streichern instrumentierten Stück von Alio Die, Teatro Satanico's Downtempo-Nummer "Ppppetrolio", dem schamanischen "Supplica" von Black Sun Productions, und Sandblasting's "Memories" sind diese auf italienisch und ich kann weder erraten, worüber gesprochen wird, noch, von wem die Auszüge womöglich stammen. Spiritual Front warten mit dem wahrscheinlich fröhlichsten Stück auf und zeigen sich in gewohnter Neofolk-Manier mit eingängiger Melodie, wobei sie von einem Streicher-Arrangement unterstützt werden. Ah Cama-Sotz verweist mit dem Titel seines Liedes auf Pasolini's "Il fiore delle mille e una notte" (dt. "Erotische Geschichten aus 1001 Nacht") von 1974 und lässt es etwas ruhiger und melancholischer angehen, interessanterweise greift auch er hier auf Streicher zurück. "In Slaughter Natives" bieten in ebenso ruhiger Weise eine Komposition aus Spinett- und Klavier-Klängen. Zusammen mit der hauchenden, männlichen Stimme evozieren sie eine dämonische Atmosphäre. Hervorzuheben sind noch die "Catholic Boys In Heavy Leather", die mit ihrem Power Electronics-Beitrag am Ende noch einmal den bisherigen Rahmen sprengen und der Unruhe Vorschub leisten. Rustblade veröffentlicht mit "Songs For A Child" eine Zusammenstellung, die Vielseitigkeit und Eigenwilligkeit bieten kann. Damit ist sie musikalisch, wie auch optisch, gelungen und sollte Hörern, die sich nicht auf ein Genre festlegen lassen und es etwas experimenteller mögen, Freude bereiten. Ob Pasolini sich darüber freuen würde, kann ich nicht beurteilen, und der Bezug ist teilweise sehr "locker" gefasst. Ich verstehe nach wie vor nicht, was das Amulett in dieser Box zu suchen hat und frage mich, wieviel dieses beim Preis ausmacht. Ich hoffe nicht zuviel...