Various Artists - Slaves To The Rhythm

Wie sangen schon ABC in ihrem größten Hit: ‚If you judge a book by it’s cover...’. Dies trifft auch auf diese DVD zu, denn man glaubt es kaum, dass man dem kleinen grauhaarigen Mann im goldenen Sacko, den man in die untere Ecke des Covers verbannt hat, mehr elektronisch eingefärbte Klassiker zu verdanken hat als die übergroße Siegfried-Schwäbli-Brille in seinem Gesicht an Dioptrien aufweist. Die Rede ist von keinem geringeren and Trevor Horn, dem Kopf hinter dem ZTT-Label und vielen musikalischen Produktionen, die man ihm teilweise sofort, teilweise nie zuordnen würde. Für unvergesslichen Alben wie ABCs ‚Lexicon of Love’, Propagandas ‚Secret Wish’ oder Frankies ‚Welcome to the Pleasuredome’ drehte er, oftmals zusammen mit Steve Lipson, an den Knöpchen um einen Sound zu generieren, der oppulent und elegant, organisch und synthetisch zugleich ist. Ihm einen musikalischen Tribut zu zollen, kamen 2004 fast alle wichtigen Acts, die mit ihm zusammengearbeitet hatten in die Wembley Arena und performten mit einer Band, die sich gewaschen hat, sowie einem hervorragenden Orchester elektronische Evergreens und aktuelle Pop-Hymnen. Dabei wird auf neu zusammengewürfelte Allstar-Bands verzichtet, vielmehr gibt man die Songs zum Besten, die das Publikum hören möchte und das in Versionen die zwar nahe am Original sind, jedoch mit dem Orchestereinsatz in vielen Fällen noch den kleinen Schub zur Perfektion bekommen. Den Auftakt macht der Meister selbst mit den unvergessenen Buggles und ‚Video killed the Radiostar’, gefolgt von Dollar, die zumindest in Deutschland immer ein rechtes Schattendasein geführt haben. Danach jagt ein Highlight das andere: Optisch hat, wer hätte es anders erwartet, Grace Jones eindeutig den ersten Preis des Abends verdient. Als schwarze Witwe im Ballon-Mantel mit darunter liegendem Body, das Gesicht hinter einem pfauenhaften, schwarzen Federrad verborgen, stiehlt sie allen anderen Akteuren eindeutig die Show. Grace Jones, das ist schon eine ‚Class of it’s own’ an Extravaganz und Style, und singen kann sie auch noch wie eine zornige Göttin! Da ist man doch gerne ‚Slave to the Rhythm’. Weiter geht’s mit ABC, die im Vergleich zu Frau Jones dem Alterungsprozess nicht entkommen konnten, mir ihrer souligen Elektrpop-Mischung, präsentiert im goldenen Pailletten-Anzug jedoch noch immer jung und überzeugend ans Herz gehen. ‚That’s it, start the car, Anne!’, damit leitet Trevor Horn wohl eines der bemerkenswertesten Stücke des Abends ein: ‘Close to the Edit’ von den Helden der Sample-Kunst schlechthin, The Art of Noise. In der dargebotenen Version ist fast alles handgemacht und so bekommt man auch den Bezug dazu, warum Peter Gunn zwischen Songs wie ‚Paranoimia’ und ‚Dragnet’ damals so wundervoll funktioniert hat. Leider ist diese Reinkarnation der musikalischen Größe nach einem Song genauso vorbei wie der Auftritt von Propaganda, die sich trotz persönlicher Animositäten für Herrn Horn in der Originalbesetzung Freytag, Brücken, Dörper und Mertens in der ausverkauften Wembley-Arena eingefunden haben um ‚Dr Mabuse’ noch einmal auferstehen zu lassen. Die nächsten Künstler zeigen beeindruckend die Bandbreite und die Dauer des Schaffens von Trevor Horn auf: zunächst tauchen YES die Arena in ein psychedelisches Gitarrengewitter bevor die nächste Generation übernimmt: Belle and Sebastian. Charmanter Britpop im Fred Perry Polo mit Referenzen zwischen den Beatles und The Style Council kann Trevor Horn also auch! Einer Ansage bedarf es bzgl. der nächsten Band nicht, denn bereits bei den ersten orchestralen Tönen des nächsten Songs ist klar, dass in den nächsten Minuten die Herren Tennant und Lowe die Bühne übernehmen werden. Hört man sich den Back-Catalog der Pet Shop Boys an, sind die Spuren von Trevor Horn und der ZTT-Crew an mehreren Stellen offensichtlich. Bereits bei Opportunities arbeitete man mit J.J. Jeczalik zusammen, Trevor Horn war in der ‚Introspective’ Phase persönlich dabei und auch das letzte Album ‚Fundamental’ trägt seine Handschrift. Lisa Stansfield kann zwar vom Hit-Potenzial nicht mithalten, präsentiert jedoch eine der souveränsten Stimmen des Abends, im krassen Gegensatz zu T.A.T.U die mit ‚All the things you said’ dann die perfekte Russen-Pseudo-Lesben-Pop-Show liefern. Man muss sie einfach lieb haben! Auch hier ergibt sich durch die Unterstützung des Orchesters eine nahezu perfekte Version dieses Pop-Perlchens. Zwei der wichtigsten Acts für Trevor Horn beschließen den Abend. Zunächst erscheint Seal auf der Bühne, der Künstler, mit dem Trevor Horn wohl am kontinuierlichsten zusammengearbeitet hat. ‚Killer’ und ‚Crazy’ kann man immer wieder hören und ‚Kiss from a Rose’ besticht durch betörende Schönheit als Kontrastprogramm. Bleibt noch die Band, die in den Achtzigern das britische Königreich spaltete. Frankie GTH suchten sich mit Ryan Molloy extra einen neuen Sänger um an der Veranstaltung teilnehmen zu können, da sich Holly Johnsen auch gesundheitlichen und persönlichen Gründen verweigerte. Wie eh und je funktioniert die monumentale Inszenierung mit Pauken und Trompeten, Tiergeräuschen und elektronischen Spielereien live und Ryan Molloy steht die Rolle des Sängers gut zu Gesicht. Gut zwei Stunden Musik mit einem zauberhaften Line-Up bekommt man mit dieser DVD nach vier Jahren nun auch zum erschwinglichen Preis in Europa, nachdem sie zuvor nur als teurer Japan-Import verfügbar war. Dass nur wenige Extras mit einer Documentary und dem ‚Frankie say Reform’ Bericht enthalten sind, tut da nicht weh. Dieser Release war lange überfällig: jetzt ist er da! Kaufen!

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