Normalerweise ist „gepflegtes Lounging“, das hedonistische, trendorientierte Jugendliche und junge Erwachsene in ihrem durchgestylten Alltag gerne ausüben, „on the darker side of life“, oder sagen wir mal im Indie-/Alternative-Bereich, weniger ein Thema. Hier prallen Welten aufeinander. Denn Barhocken und Versumpfen ist out, Lounging mega in: Sich gemütlich in edle Ledersessel und Couchen zurücklehnen, affektiert an einem Drink nippen, banalen Small-Talk üben und dazu Musik hören, die Balsam für die Seele ist und Herzen öffnet, die beruhigt, erwärmt, und Rückkehr zur Gemütlichkeit anordnet. Bekannte Compilations wie “Dream Lounge”, “Sinners Lounge” oder die trendy “Campari Lounge” und “Latin Lounge” haben vorgemacht, wie es geht. Mal ist es Jazz, mal Latin oder Soul, mal Ambient, Trip Hop oder gar tranciger Chill out, der da genüsslich aus den Boxen tönt. Infacted Recordings, dessen Gründer und Labelchef kein Unbekannter im Techno-, Trance-, Chill-out- und Ambient- Geschäft ist, sich allerdings mit namhaften Signings im Synthpop-, Dark Electro- und EBM-Genre einen Namen gemacht hat, geht nun mit einem Sampler Konzept an den Start, das längst fällig war und doch in dieser Weise bisher von keinem anderen ersonnen wurde. Hinter dem schlichten Titel „Electro Lounge“ (unter gleichem Namen veröffentlichte bereits EMI leider schon vor einiger Zeit zwei Sampler) verbirgt sich eine außergewöhnliche, hörenswerte Zusammenstellung. Die Idee dahinter ist einfach, aber gut: So soll die Compilation dem Label zufolge „dem geneigten Zuhörer einfach eine schöne Zeit bescheren, eine Wartezeit verkürzen oder der Hintergrundsoundtrack zum eigenen Leben bzw. arbeiten sein. Entspannen, genießen und sich mit musikalischen Spielereien beschäftigen ..." 15 Künstler, allesamt, bis auf eine Ausnahme, aus dem eigenen Stall, haben ihr angestammtes, musikalisches Zuhause verlassen und die Türen zur Lounge-Kultur unserer Zeit geöffnet. Im Gepäck: gänzlich exklusive Tracks und Remixes. Während Techno-Veteran Tom Wax gediegen und stilecht die Compilation einläutet, tauchen plötzlich Namen wie Soman und Reaper auf, die im „normalen“ Leben die Beatschraube doch recht hochdrehen. Man staunt, wie ruhig und - im Falle von Soman - ethnomäßig es hier zugehen kann. Erinnerungen an This Morn' Omina werden wach. Die Synthpopper Conetik, Endanger, Michigan, Frozen Plasma und Obscenity Trial geizen nicht mit Melodie, Dramatik und Atmosphäre und öffnen im wahrsten Sinne des Wortes das Tor zur himmlischen Entspannung und bleiben dabei dennoch poppig-beschwingt. Dazwischen winden sich filigrane Klangstrukturen um sanft dahin gleitende Melodiewogen, nur hier und da von einem leichten rhythmischen Beben durchzuckt. Namen wie Vox Celesta und Les Anges De La Nuit präsentieren sich sanft und verträumt, XP8 und Syrian vs. Mac of BIOnighT (italienischer Ambient-Musiker) dagegen verfrickelt elektronisch. Die Space Night lässt grüßen! Der untypischste, düsterste, aber faszinierendste Titel istwohl „Who is you saviour“ vom US-amerikanischen Projekt Retractor. Gänsehaut und ein wohliges, aber auch wehmütiges Gefühl beschert der traumhaft schöne Song „Little Scars“ des Leipziger Duos Liquid Divine, feat. Yrea, deren Stimme einfach nur maßlos zu begeistern weiß. Ein Augenmerk sollte man auch auf Xylon haben, dem Ambient-Projekt von Labelchef Torben Schmidt und Alfred Gregl, mit dem sie seit 1994 bis 2002 drei Alben veröffentlicht haben und auf etlichen Samplern im Techno/Trance/Goa und Ambient-/Chillout- und eben Lounge-Samplern- Bereich vertreten sind. Wer der Beatattacken und Vocoder-verzerrten Schreie ab und an überdrüssig ist und ein wenig „abschalten“ will, aber nicht unbedingt auf reinen Ambient- und Chill-out Sound steht und schon gar nicht zu einer CD greifen will, die gerne solariumverbrannte und zu leicht bekleidete Magersüchtige (oder schreiend bunte Retro Designs) auf dem Cover präsentiert, sollte „Electro Lounge Volume 1“ antesten. Das Orkus-Magazin hat seine Empfehlung schon ausgesprochen. Na dann …