Was bin ich erfreut, dass ich auserkoren wurde die neue EP von Tyske Ludder zu reviewen. Kenne ich die Combo um Claus Albers und Olaf A. Reims bereits seit den ersten Veröffentlichungen der 90er Jahre des letzten Jahrtausends (Klingt echt episch, oder?). Immer wieder schaffen es die Jungs durch eigene Releases, wie auch Samplerbeiträge im Bewusstsein der Hörerschaft zu bleiben. Eine beachtliche Karriere, die nun mittlerweile über dreißig Jahre andauert.

Hier nun habe ich die neue EP vor mir, die im Januar 2021 erschien und auf den verheißungsvollen Namen „Ungewiss“ getauft wurde. Ticket lösen, einsteigen und auf geht die wilde Fahrt…

Erstmal höre ich eine Art Easy Listening, ein Intro zum Song „Friesland Ultras“. Der einfallsreiche Beat wird von einem Rhythmusbass unterstützt, der den Titel stark vorantreibt. Das ist „EBM aus Gotteshand“, wie Claus uns selbstbewusst verkündet. Der Song treibt gut voran. Moment, vernehme ich da Blasinstrumente im Hintergrund? Jup. Der Text ist ein EBM-Diss in schönster Finsterrap-Manier. Ein cooler Opener, ich bin dabei. Mit der 02 steht uns nun der titelgebende „Ungewiss“ ins Haus. In bester klassischer Tradition stampft der Song sich durch das viel zitierte „Wir stehen zusammen, bis alles endet“ Thema. Wieder einmal zeigt sich, dass sich Deutsch, als eher harte Sprache, für EBM-Songs vorzüglich eignet. Der Refrain ist in eine Synthmelodie eingewoben. Das ist sehr gut. „Garten Eden“ befasst sich dann thematisch mit der „Amerika-über-alles“ Attitüde des, zum Glück, abgewählten Donald Trump. Hier gehen die Deutschen Huren eher ruhig zu Werke. Der Beat wird von einem melodischen Bass getragen, über dem stellenweise ein Synth fliegt. Im Gegensatz zu diesen Melodien agiert der Gesang. Eine schöne Disharmonie.

„Zeichen der Zeit“ im 2021er Edit steigt mit dem Sample „Es ist ein lebendes Wesen, es frisst und es hasst“ ein. Stark von Elektronik getrieben, durchbrechen nur verzerrte Noises den Basslauf. Der ganze Song verbreitet eine wütende Grundverfassung. Textlich bezieht sich Tyske wieder auf sich selbst. Musikalisch passt die Auflösung zum Refrain hin leider nicht so ganz, was den Titel ein wenig runterzieht. In der Gesamtbetrachtung ist der Song aber in Ordnung. „Irrsinnige Vögel“ (2021 Edit) ist gekennzeichnet von einer Art Schüttelreim, begleitet von monotonem Songaufbau, der Versuch der Syntheziser diesen irgendwie aufzubrechen scheitert im besten Sinne. Hier marschiert wieder ein lupenreinen EBM-Kracher. Der 2021er Edit von „Erotikmutanten“, ein herrlicher Oldscool-Beitrag, der sich aggressiv durch seine SM-Thematik sägt. Musikalisch treibt nur der Bass den Song voran. Da gibt es keine großen Ablenkungen durch überbordende Melodien. Erst im Mittelteil gibt es eine kurze Verschnaufpause. Zum Ende hin wird musikalisch mit gepressten Schlagwörtern auf den „Höhepunkt“ hingearbeitet. Ein kleiner, geiler, dreckiger Titel, für mich klar das Highlight der VÖ.

Die „Friesland Ultras“ im Rework verbreiten abgehangene Chillout-Atmosphäre. Die Melodien bewegen sich im Ambientbereich. Das ist eigentlich in Ordnung, bietet eine Abwechslung, kollidiert aber ein wenig mit dem Text.

„Ungewiss“ bietet in der Retro-Version Synthie-Pop-Anleihen. Der Bass trägt eine angenehme Synthmelodie. Dadurch klingt der Mix wesentlich weicher als das Original. Aufbrüche der Szenerie durch Breaks machen das Ganze kurzweilig.

Der Nautilus-Mix von „Garten Eden“ knallt uns ein Elektronikbrett ins Gesicht. Ein schleppender Beat, verzerrte und verstörte Sounds bieten den Unterschied zur Originalversion. Das hört sich klasse an, zieht sich gefühlt aber etwas in die Länge.

Zum Abschluss bietet der Splashing Overland Mix von „Ungewiss“ uns einen coolen Breakbeat. Dieser erschafft das herrliche neue Gewand für den Titel. Sehr gut sind auch die Synths gesetzt. Bei dem Mix macht es Spaß nach den Unterschieden zum Original zu forschen.

Hier haben wir die, mit 10 Titeln wirklich fett bestückte EP, die über ihre gesamte Laufzeit vollends überzeugt. Tyske Ludder beweisen, dass sie ihren Status seit nunmehr fast 32 Jahren absolut gerechtfertigt innehaben. Das ist EBM vom Feinsten. Die Fähigkeit zur Selbstironie und die Freude am Dargebotenen macht diese Veröffentlichung noch bemerkenswerter. Fazit? Wen wundert es, ich gebe eine unbedingte Empfehlung!

Ick hol mir noch ein Ticket und fahr gleich nochmal…

Anspieltipps: Erotikmutanten, Ungewiss, Irrsinnige Vögel