Meine Herren! Das ist ja live noch eine ganze Schippe druckvoller als ich vorher gedacht hatte. „Vorher“ meint den Zustand, zwar schon durch drei vorangegangene Studio-Alben Bekanntschaft mit der Hannoveraner Combo Treibhaus gemacht zu haben. Sie aber noch niemals live gesehen bzw. gehört haben zu dürfen. Letzterer Mangel wird ab sofort durch das neue Album - das gleichzeitig das fünfjährige Jubiläum der Band um Treibhaus-Vorsteher Curt Doernberg makiert – endlich behoben. Es ist nämlich ein livehaftiges Tondokument geworden. In ihrer niedersächsischen Heimatstadt wurde den Treibhäusern bei der energischen und Schweiß triefenden Arbeit von Tontechnikern zugesehen, zugehört und schließlich mitgeschnitten. Das Ergebnis ist weit mehr als ordentlich ausgefallen. Auch von der Aufnahme-Qualität her. Mit High End-Audio-Produkten von (metallischen) Riesen-Acts, die bei riesengroßen Major-Labels gesignt sind und bei riesigen Live-Events Mischpulte und Aufnahmegeräte, deren Kosten insgesamt nicht selten in den sechsstelligen Bereich gehen, auffahren, kann die Sound-Qualität der CD zwar nicht ganz mithalten. Aber eben nur „nicht ganz“ Von diesem Mini-Makel abgesehen, kann alles Andere dagegen das Blut des Electro-Metall-Freundes schon richtig amtlich in Wallung bringen! Eine Wallung, die in erster Linie durch die Ausschüttung von viel Testosteron in die Blutbahn hervorgerufen werden dürfte. Sich sehnsuchtsvoll sträubende Nackenhaare oder gar melancholisch-berührte, glasige Augen werden dagegen im Treibhaus des kantigen Quartetts überhaupt nicht angezüchtet. Vielmehr wird hier mit einer Riesen-Portion Saft, Power und Energie gearbeitet. (Wie haben die Ärzte noch einst so schön gesungen: „Mitten in die Fresseeehhheeeehhheee…“) Als Liebhaber von kernigem Maschinen-Rock fällt bei der Abhöre natürlich sofort auf, dass die schneidigen Riffs richtig bratzen. Ist es doch leider oft so, dass versierte Electro-Lurchies, die ja jetzt den Metall für sich entdeckt haben, entweder mit viel zu eintönigen Mickey Mouse-Riffs aus dem Sampler aufwarten wollen bzw. einen Gitarristen im Line-Up haben, der einfach nicht gut genug ist. Und live ist das zumeist einfach tödlich. Bei Treibhaus handelt es sich aber um versierte Musiker, die allesamt ordentlich Erfahrung durch zahlreiche vorherige Bands im beruflichem Werdegang auf dem Buckel haben. Und das hört man einfach. Die stark verzerrte Klampfe kommt absolut tight und sauber gespielt, die Drums werden mit ordentlich Wumms (auch schon mal doublebassdrumartig) beackert und der Bass klebt die Verbindung zu letzteren ebenso professionell. Der sympathische und fast flächendeckend tätowierte Sänger Kurt schleudert frontal - ebenso adrenalin-geschwängert wie selbst adrenalin-schwängernd - seine deutschen Texte „clean“ geshoutet ins Publikum. Große Publikumsansagen unterbleiben. Würden aber eh nicht besonders zur dargebotenen Mucke passen, finde ich. Ach,… ja: die Sequenzer-Sounds u. Samples werden von DAT(oder vielleicht Mini-Disc) – in die Bühnen-Kraftbrühe gemischt. Da weiß jeder, woran er ist und ein fünfter Mann und Keyboarder braucht nicht fast pseudomäßig mit einem Finger auf die Tasten zu drücken, nur um irgendwelche Samples zu triggern. Eingefleischte - aber eben open-minded - Metaller sind herzlich eingeladen, hier mal zu lauschen. Crossover Freunde an der Schnittstelle von fetten Staccatto-Riffs und atmosphärischer Elektronik (sollte ihnen Treibhaus bis jetzt noch kein Begriff sein) dürften sich eh angesprochen fühlen. Eher konservativ orientierte EBM-Heads oder Anhänger eines kühlen Electro-Sounds sollten hier lieber die Finger und Ohrmuscheln von lassen. Sorry, Jungs; aber dies hier dürfte dann doch zu hart für euch sein… Auch wenn ihr bestimmt in allen anderen, nichtmusikalischen Lebenslagen sicher keine Weicheier seid. Bleibt nur zu hoffen, dieses Saft- und Kraft-Quartett endlich mal on stage erleben zu dürfen. Denn: live ist ja bekanntlich life. Darüber hinaus bin ich ebenso gespannt auf das neue Studio-Album der vier Treibhäuser. Zwar dürfte dies sicher noch einige Zeit auf sich warten lassen. Bei der absolut positiven Entwicklung der Band würde es aber sicherlich nicht überraschen, wenn sie ihrem Ziel, eine gleichwertige, musikalische und alternative Größe zu den bereits etablierten deutschen Maschinen-Rock-Bands darzustellen (müssen die hier noch einmal extra genannt werden?), wieder ein großes Stück näher kommen werden. Zu wünschen wäre es ihnen auf jeden Fall - auch verkaufstechnisch. Denn das Potenzial ist einfach da. P.S. Die Live-CD lässt sich nur online über die Bandwebsite bestellen. Beim regulären Platten-Dealer des Vertrauens steht sie hingegen, samt ihres schönen Cover- und Booklet-Artworks, nicht im Regal.