Trautes Heim – ein solcher Bandname kann im Grunde nur ironisch gemeint sein, vor allem wenn sich einem dabei gleichzeitig ein Albumcover präsentiert, das verfallende Häuser und ein trostloses Trümmerfeld zeigt. Tatsächlich ist für Uwe Rohlfs und Matthias Knake, die beiden Kreativköpfe hinter Trautes Heim, der Name Zynismus pur und gleichzeitig Provokation. So fungiert für die beiden Bremer die faszinierende Vorstellung "was hinter gestärkten Gardinen und blankgeputzten Türschildern so alles vor sich geht" als schier unerschöpflicher Ideengeber für ihre vertrackten Songkonzepte und Texte. TV- und Videosüchtige Soziopathen, der Schizophrenie verfallene Individuen oder Gewaltverbrechen in den eigenen vier Wänden – die Liste der sich hinter heimischen Mauern abspielenden Tragödien lässt sich noch lang fortsetzen. Man wagt gar nicht sich auszumalen, wie hoch die Dunkelziffer solcher "Vorfälle" sein könnte. Trautes Heim und Dunkelziffer, zwei Begriffe, wie sie gegensätzlicher und doch verbundener nicht sein könnten. Mit diesem Hintergedanken und der viel versprechenden Absicht, straighten, tanzbaren Industrial-EBM mit Köpfchen zu produzieren, haben Rohlfs und Knake das Projekt bereits 2006 gegründet, nachdem beide zuvor schon in der Electro- bzw. Punkband Reversal Penetrations und Demenz durch Alltag aktiv waren. Mit "Dunkelziffer" legen sie nun ihr Debüt vor – und menschliche Abgründe frei. In acht Audiotracks und drei zusätzlich als mp3-files auf die CD-R gepackten Stücken gehen Trautes Heim fast schon collagenartig beim Komponieren ihrer Tracks zu Werke. Minimale Elektrosounds, noisige Geräuschsequenzen, knackige EBM-Beats und jede Menge Sprachsamples aus Film, Funk und Fernsehen, die erfreulicherweise fernab der im Electrobereich so gern verwendeten, eher müden Samples angesiedelt sind, fügen sich zu originellen, explosiven Titeln zusammen, die nicht nur Gas geben, sondern auch eine eindeutige, kritische Message rüberbringen. Dabei greifen Rohlfs und Knake gern auch mal auf die Alt-Kult-Punker Abwärts und ihren Hit "Computerstaat" zurück. Anarchie, Rebellion und Fantasie – von allem ein bisschen lässt sich auf "Dunkelziffer" finden, ohne dass die Ernsthaftigkeit angesichts der doch erschreckenden Themen dabei verloren geht. „Trautes Heim“ haben ein recht professionelles, selbst produziertes Debüt abgeliefert, welches nicht nur flott und kurzweilig durchläuft, sondern geradezu danach drängt, selbst einmal über den Wahnsinn des menschlichen, u.a. medialen Alltags nachzudenken und dabei vielleicht festzustellen, dass auch bei einem selbst der Abstumpfungsprozess schon Einzug gehalten hat. Dass sich darauf dann noch clubtauglich abtanzen lässt, ist natürlich eine begrüßenswerte Begleiterscheinung. Ein starkes Debüt mit Witz und Verstand, das musikalisch, produktionstechnisch und inhaltlich zu überzeugen weiß.