Kürzlich hat uns Tori Amos ein neues Lebenszeichen in Form einer CD gesendet. "American Doll Posse" - so der Titel dieses 23 Songs umfassenden Werkes. Und mit dieser "American Doll Posse" meint Tori Amos ihre Band - quasi sich selbst und vier weitere Bandkolleginnen, die sich während der Produktion des Albums als Alter Ego von Tori abgespalten haben. Diese mischten musikalisch und textlich mit um so gemeinsam in den Kampf gegen das Patriachat zu ziehen. Ja. Das klingt verwirrend und das wird es bei genauer Erklärung auch bleiben. Wer Lust hat, sich nun mit dem Konzept auseinander zu setzen, der kann das im nachfolgenden Artikel tun. Diejenigen von euch, die Ausflüge in die Psychologie mit multiplen Persönlichkeiten, die griechische Mythologie,... ermüdend finden gehen auf direktem Wege zum Abschnitt Musik. Konzept: Tori stellte zu Beginn der Produktionsarbeiten am Album fest, dass hier gar nicht nur eine Frau singt und erzählt, sondern eben mehrere. Während sie sich selbst bei einigen Stücken erkannte, schien es bei anderen so, als seien es andere Personen, die da am Werk waren. Dieses Phänomen hat Tori dazu veranlasst, genauer zu analysieren, die Stücke zu kategorisieren und sie kam zu der Feststellung, dass diese musikalische/textliche Trennung auch eine Trennung der Interpreten zur Folge haben muss. So entstanden Pip, Santa, Isabel und Clyde, welche auch das Albumcover zieren. Und jede dieser vier Personen hat ihren eigenen Archetypus, ihren eigenen Stil und etwas anderes Wichtiges zu erzählen, singt also über eine andere Thematik. Soweit nicht genug, am Albumkonzept wurde weiter gefeilt und den Bandmitgliedern wurde jeweils noch ein Name einer griechischen Gottheit verpasst. Das Weibliche wurde hier ja in seinen verschiedenen Facetten als göttlich verehrt. Isabel, die klare, starke Frau mit eindeutigem politischen Statement, ist Artemis, die Göttin der Jagd. Clyde ist Persephonis, die Göttin der Unterwelt. Sie ist eine verletzte Seele mit bewahrtem Idealismus. Die platinblonde Santa stellt die sinnliche Aphrodite dar, während die kriegerische Pip die Athene darstellt. Tori bleibt die wahrhaftige Tori Amos. Alle 5 zusammen ergeben natürlich wieder eine Frau. Schuld an dieser Aufspaltung ist das Patriachat und mit diesem Album soll diesem ein Tritt in den Hintern verpasst werden. Denn dieses hat über Jahrhunderte das Wesen des Weiblichen zerstümmelt und die Frau musste Anteile ihrer Persönlichkeit unterdrücken. Jetzt setzt sich das Ganze wieder mehr und mehr zusammen und erobert sich die Macht zurück. Tori spielt hier auf die Rolle der Frau in den USA an, die sich gegen die Politik, rechtkonservative Christen zur Wehr setzen muss. Es ist also ein deutlicher Aufruf: Frauen wehrt euch gegen diese Politik, denn sonst sind eure hart erkämpften Rechte bald wieder futsch. So, lieber Leser, an dieser Stelle lass das Ganze doch bitte ein wenig sacken, denn gleich geht es noch weiter. Pip, Santa, Clyde und Isabel haben nämlich auch noch eine eigene Internetpräsenz in Form eines Blogs. Ob noch Soloalben erscheinen werden ist noch unklar. Auf ihrer Konzerttour sind die 4 Damen auch anwesend, eine von ihnen wird immer das Konzert ankündigen, wobei Tori nach Lust und Laune entscheidet, wer das gerade sein soll. Musik: Nun doch tatsächlich auch noch zur Musik dieses konzeptlastigen Werkes. Beim ersten Hören überkam mich das Gefühl, dass doch alles etwas holprig klingt und die Musik nicht so wunderbar einspinnt und fesselt, wie ich es von vergangenen Alben gewohnt war. Teilweise wurde der Versuch unternommen etwas rockiger zu sein und so fanden jede Menge E-Gitarren ihren Einsatz. Auch folkige Elemente waren hier und da zu finden. Und hin und wieder tauchte ein ganz einfach gestrickter Popsong auf, der die einzige Rettung durch die Stimme von Tori Amos erfahren sollte. Die Instrumentalisierung ist besonders in der ersten Hälfte sehr schwülstig geraten. Natürlich kommt immer auch ihr Flügel zum Einsatz, der doch aber in den 80er Popnummern ein wenig altbacken wirkt. In meinen Ohren wirkt die breite Instrumentalisierung und der Gitarreneinsatz oft recht plump und auf Dauer zu laut. Zwischendurch können wir aber auch immer wieder aufatmen und eine Tori Amos hören, wie wir sie kennen und lieben. Dies durchgängig dann auch im letzten Drittel des Albums. Hier schlägt sie wieder sensible, sinnliche Töne an, ihr Flügel und Streicher stehen im Mittelpunkt und Toris Stimme kann neben dieser dezenteren Instrumentalisierung wunderbar zur Geltung kommen. Bei 23 Stücken und 80 Minuten Sendezeit ist es natürlich schwierig, eine CD zu schaffen, die als Ganzes fesselt und nicht mehr loslassen will. Auch bei mehrmaligen Durchläufen ist es dieser CD nicht gelungen, mich komplett einzufangen, wobei das meiner Liebe zu Tori Amos keinen Abbruch tun wird, denn viele Stücke waren wieder so wunderbar wie eh und jeh. Die Playlist werde ich mir dann aber in Zukunft bei diesem Album selbst zusammen stellen. Und das Albumkonzept? Da sollte sich jeder selbst seine Meinung bilden *räusper.