Hobby-Fotografen unter der verehrten Leserschaft dürfte vielleicht der Begriff der "blauen Stunde" bekannt sein als jene Zeit, in der aus Tag langsam Nacht wird, die untergehende Sonne langsam hinter dem Horizont verschwindet, die Welt nur noch spärlich erhellen zu vermag und sich im milden, bisweilen melancholisch, bisweilen beruhigend, bisweilen verträumt wirkenden Licht der Dämmerung die ersten Stimmungen und Träume der nahenden Nacht ausbreiten können. Dies ist die Zeit, dies sind die Stimmungen, die der ehemalige Sol Invictus- Mistreiter und tief im Surrealismus verwurzelte Maler TOR LUNDVALL auf seinem aktuellen Werk "Last Lights" aufzufangen, zu beschreiben, zu verarbeiten sucht. Die 12 Songs der CD erfüllen dann auch alle Erwartungen, die man somit schon im Vorfeld an die Musik auf diesem Album stellen könnte: Über die ganze Spieldauer hinweg bewegt sich der Musiker tief in melancholischen, harmonischen Ambient-Welten, die realitätsferner eigentlich kaum mehr wirken können. Die Stimmungen, die Songs wie "Last Light", "Storm" oder "Soft Bipolarity" transportieren, leben dabei irgendwo zwischen bedächtig eingesetzter, fast schon minimalistisch wirkender Instrumentalisierung, die Ferne und Stille ausstrahlt, den entrückt wirkenden Gesangspassagen und ebenfalls sparsam eingearbeiteten, eigenwilligen Geräusch-Effekten, die die Wirkung der Musik nicht unwesentlich verstärken. Wirklich leicht zugänglich ist das Werk dabei nicht; der Hörer taucht schon mit dem Opener "Rust" in eine Welt von Klängen, Klanggebilden und -farben ein, in der eingängige Melodien oder gar Rhythmen de facto nicht existieren, die einen subjektiven Blick liefert auf jene mystische, düstere Welt, die der Künstler seit Jahren auch in seinen Bildern auszudrücken vermag und die, surreal und eigenwillig, vermutlich jedem von uns zumindest teilweise eigen ist. Damit wird "Last Lights" nicht nur zu einer Wanderung auf der Grenze zwischen Tag und Nacht, zwischen Geräusch und Stille, sondern auch zwischen Realem und Fantasie, zwischen Bewußtem und Unterbewußtem, zwischen Rationalem und Emotionalem in unserem ureigensten Selbst... Diese Wanderung anzutreten dürfte nicht eines jeden potentiellen Hörers erklärter Wunsch sein, insofern ist auch "Last Lights" eine CD, die vermutlich nicht jeden Musik-Interessierten gleich ansprechen wird. Wer sich aber mit emotional intensiven, entrückten Ambient-Klängen anfreunden kann, dem sei die aktuelle Kreation des Tor Lundvall wärmstens ans Herz gelegt; aus diesem Blickwinkel betrachtet gibt es an den zwölf Songs auf "Last Lights" absolut nichts auszusetzen. Die CD kommt zudem in einer limitierten Auflage von 955 Stück in einem edlen, mit sehr passend ausgewählten Gemälden des Künstlers dekorierten Digi-Pack und überzeugt somit als stimmiges, geschlossenes und in allen Punkten sehr gut harmonisierendes Gesamtkunstwerk, welches anspruchsvolleren Musik-Fans auf jeden Fall guten Gewissens empfohlen werden kann. Ich für meinen Teil greife ebenso guten Gewissens zu fünfeinhalb Zählern, während das Klavier-Outro von "Lost At Sea" langsam im vorabendlichen Regen verhallt und sie bald wiederkehren wird, die Zeit zwischen Nacht und Tag...