Höchstens einmal pro Jahr gibt es Alben, die einen beim ersten Klang bereits packen und deren letzte Klänge ein tiefes Seufzen begleiten: "Schade, schon vorbei..." - gefolgt vom Betätigen des Repeat-Buttons und dem Einstieg in die berühmte Endlosschleife. Eine solche CD ist mir vor wenigen Wochen mit dem Debüt des Solokünstlers Thomas Azier untergekommen. Der 27-jährige Wahlberliner verließ vor 8 Jahren seine niederländische Heimat und werkelte seitdem an seiner ganz eigenen Interpretation von elektronischer Popmusik. Knapp 50 Songs komponierte Thomas, doch nur deren 12 schafften es auf "Hylas", das in weiten Teilen Europas, vor allem Frankreich und Niederlande, bereits mehr als nur ein Geheimtipp ist. In Deutschland ging die konstant hochklassige CD seit deren Veröffentlichung im April etwas unter und erfuhr nicht die ihr zustehende Beachtung. Dabei packte der umtriebige Soundtüftler alle Zutaten eines absolut hitverdächtigen Pop-Kleinods auf die Scheibe. Hymnische Refrains, eindringliche, gefühlvolle Vocals, synthetische Sounds zwischen 80er Jahre-Retro und moderner Elektronik sowie die gewisse Portion an melancholischer Tragik. Auch die visuelle Umsetzung in professionellen Videos, bzw. auf kleineren Club-Konzerten lässt keine Wünsche offen, so dass Thomas Azier nicht selten mit "Hurts" verglichen wurde. Einige Songs, wie das eingängige "How To Disappear", das mit einem gewagten Break vor dem Refrain aufwartet, lassen derartige Parallelen zu, aber das Gros des perfekten Großstadtsoundtracks gehen in eine andere, vielschichtigere Richtung. Da wäre zum Beispiel das krachende "Ghostcity", ein Ohrwurm allererster Güte, der den elektronischen Drums eine bis dato unverhoffte Wärme einhaucht. Oder "Red Eyes" (der zweite Link auf der rechten Seite führt zum Video), ein dramatischer Lovesong, der in Sachen Tiefgang Chris de Burghs Rote Lady locker um einige Rottöne überholt. Und immer dann, wenn ob der verblüffend einprägsamen Sounds kommerzielle Verdachtsmomente aufzukommen drohen, holt Azier sperrige, groovende Electrobretter wie Yearn, Yearn“ oder verstörende Balladen wie „Verwandlung“ aus dem Synthiezauberkasten. Zum Abschluss wird mit "Sirens of the city lights" sogar noch der aufgeschlossenere Teil des Gay-Disco-Klientels bedient, ohne sattsam bekannte Klischees zu rezitieren. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis der Holländer auch in Deutschland die Charts stürmen wird - oder sind wir für elektronische Popmusik knapp abseits des Mainstreams noch nicht reif genug? Spätestens mit dem zweiten Album sollte diese These abschließend verifiziert / falsifiziert werden. Bis dahin sei jedem Leser des Medienkonverters dieses grandiose Debüt ans Herz gelegt. Gebt "Hylas" eine Chance, ihr werdet es nicht bereuen. Volle Punktzahl für dieses Meisterwerk!