Das mit Ketamin verwandte PCP (Phenyl-Cyclidin-Piperidin), auch unter der Bezeichnung "Angel Dust" bekannt, kann nach Konsum unter anderem eine Art akuten schizophrenen Schub, Halluzinationen oder auch Euphorie hervorrufen. Bei häufigerem Gebrauch wurden Paranoia, Verwirrung und Aggressivität beobachtet. Was würde also passieren, wenn alle Menschen zeitgleich diese Droge zu sich nehmen würden? Diese Frage ist der Ausgangspunkt des Projekts "The PCP Principle" des Engländers R. Challenger. Nach eigener Aussage stellt es den Versuch dar, seine Vorstellungen dazu in musikalischer Form zu vermitteln, und zwar aus der Perspektive eines Teilnehmers und wie der diese Welt erfährt. Nach einem Beitrag zur mp3-Compilation "Re:automation 3.0" im Jahr 2006 und einem Remix für Coreline's "Exact Science Is Not An Exact Science" in 2007 sind 4 Tracks von ihm auf der Split-CD "Savage Lands" erschienen, auf der auch Coreline, Hypnoskull und Caustic vertreten sind. Spätestens hier sollte klar sein, dass "The PCP Principle" keine Fahrstuhl-Musik produziert. Er selbst beschreibt seinen Stil als Mischung aus Rhythmic Noise, Gabba, Classical und Dark Ambient. "Electronic Violence Phenomena" heisst nun sein Debut-Album und irgendwie klingt es, wie man anhand der Informationen erwarten würde. Dem ersten Track kommt für gewöhnlich eine hohe Bedeutung zu, vermittelt er doch den ersten Eindruck von dem, was der Künstler zu bieten hat. "Opening The Values Of Hate" legt dann auch schon nach 12 Skunden Ambient-Geplänkel mit staccato-artigem Kreissägen-Sound los. Man erahnt schon die Schmerzen, die man in den nächsten 5 Minuten zugefügt bekommen wird. Die Hi-Hat auf den 16teln und ein Epilepsie hervorrufender Beat sind die Folterinstrumente seiner Wahl. Das ganze wird begleitet von flächigen Synthie-Höhen mit einem Anflug an Melodie, die jedoch nicht gerade einprägsam ist, im Gegenteil. Das Tempo wird, bis auf die Breaks, beibehalten und der Rhythmus bleibt unerbittlich, hiermit macht sich wohl der Gabba-Anteil bemerkbar. Dies wird auch im zweiten Stück fortgeführt, d.h. ähnlich gewöhnungsbedürftiger Beat mit freundlicher Unterstützung der 16tel, rhythmisch versetze Hi-Hat, wieder flächige, dezente melodische Ansätze und dazu diesmal stark verzerrte Schreie und Wehklagen. Der Großteil der Stücke auf diesem Album ist dann leider auch in diesem Stil gehalten, Ausnahmen dazu bilden nur "Global Union Disphoria", welches mich mit einer mäßig schnellen, konventionelleren Rhythmus-Sektion und dunklen Synthie-Flächen vielleicht etwas an Myer's "Architect" erinnert, und "Defeated By Every Means Possible", dass primär durch Streicher- und Klavier-Sounds gekennzeichnet ist und scheinbar den Dark Ambient-Einfluss repräsentiert. "Judgment Day", "Coma" und "Ruining Beauty" brillieren noch mit einem Klang-Verbrechen, wie ich es bisher nur aus den Soundtracks von HK-Bloodshed-Streifen der 80er Jahre oder Low-Budget Horror-Trash kenne. Hier wurden unschuldige Keys (oder was auch immer hier zur Klangerzeugung verwendet wurde) schändlichst missbraucht. Challenger wollte einen akustischen PCP-Rausch kreieren, und zumindest im Hinblick auf den paranoiden und aggressiven Teil hat er dies auch geschafft. Meiner Meinung nach ist diese Musik damit nicht unbedingt zu Entertainment-Zwecken entwickelt worden, sondern dient eher dem Ausdruck des Künstlers, d.h. es ist nicht darauf ausgelegt, irgendwem zu gefallen. Allgemein habe ich hierbei den Eindruck, dass die einzelnen Teile sich häufig nicht ergänzen, sondern sich gegenüberstehen, was Challenger's Beschreibung als "perfect disharmony" entsprechen würde. Hier wird viel mit 16teln, versetzt klingenden Rhythmen, quälenden Industrial-Sounds und Noise-Einlagen gearbeitet. Diese Mischung wird dann mit etwas Melodie gestreckt, die teils zu komplex ist, um einen Melodiebogen zu erkennen, oder auch mal im Verhältnis zur übrigen Klangwand untergeht. PCP im Alltag zu konsumieren wäre, sofern man etwas erreichen will ausser einem Delirium, unvorteilhaft und sicher auch lästig. Ähnlich verhält es sich mit diesem Album, dass mit Vorsicht zu geniessen ist und auch nur in kleinen Dosen. Am Stück droht es (zumindest mich) zu überfordern, interessante Details gehen in Folge der permanenten Druck-Beschallung und stellenweisen Überladung verloren. Nunja, weniger ist manchmal mehr...und besser.