‚All that was on the tape, was a bunch of drugged up, drunken, talentless louts messing around in a studio. I don’t know where it was, but no self-respecting studio would allow them to behave as they did with that lovely Steinway piano – it’s disgraceful.’, das war die Aussage der Dame aus dem Video-Shop, die man beauftragte hatte den Inhalt der Cassette mit dem komischen Aufnahmeformat zugänglich zu machen. Und wenn man die schwarz-weißen Studioaufnahmen der Exzesse der Band und vor allem des Producers Guy Stevens sieht, kann man das der Lady nicht übel nehmen. Es fliegen Stühle, eine Flasche Rotwein wird über dem bereits erwähnten Steinway Klavier geleert und Joe Strummer muss sich beim singen deutlich an den Studio-Wänden festhalten. Herausgekommen ist bei diesen wilden Sessions im Vanilla-Studio allerdings ein Album, welches der Rolling Stone mal als bestes Rock-Album der Achtziger proklamiert hat, obwohl es zumindest in UK bereits im Dezember 1979 veröffentlicht wurde. Die Rede ist von ‚London Calling’, dem dritten Longplayer von The Clash, welches ein wenig auch das Schicksalsalbum war, nachdem das für den amerikanischen Markt ausgerichtete zweite Album ‚Give ’em enough rope’ nur bedingte Begeisterung bei Fans und Kritikern auslöste. Ob es wirklich ein (Punk-)Rock Album ist, darüber kann man diskutieren, beinhaltet das neunzehn Tracks starke Werk doch deutliche Einflüsse aus Reggae, Ska, Rockabilly und eben Rock sowie Pop. Mick Jones sagt in der Dokumentation auf der im Set der 30th Anniversary Edition enthaltenen DVD dazu, dass für ihn Punkrock kein festgelegtes Genre sei, sondern die Freiheit das zu machen, was man eben gerade so vor hat. Genau diese lockere Grundhaltung scheint ‚London Calling’ den Status eines Meilensteins der Musikgeschichte eingebracht zu haben. Unkonventionelle Methoden, die Leichtigkeit des Seins und der zu dieser Zeit extreme Zusammenhalt der Band sind vielleicht die anderen erfolgsbringenden Ingredienzien. Auch bei der Cover-Gestaltung setzt sich dieses Konzept fort, kopiert man doch dreisterweise die Gestaltung des ersten Elvis-Albums kombiniert mit einem Bild, bei dem Mick Jones seinen Bass auf der Bühne des New Yorker Palladiums auf dem Bühnenboden das Leben aushaucht, da die Crowd nicht die Stimmung machte, die er in einer solchen Metropole erwartete. Und so schauen heute Indie-Musiker jeder Couleur auf ‚London Calling’ zurück. Bei alledem darf man nicht vergessen, dass The Clash in ihren Texten durchaus politische und ernste Themen beleuchteten. Schließlich hört man auch viele Followers direkt in den Songs heraus, das geht von Blur bis Weezer und schließt den Fun-Punk der amerikanischen College Bands genauso ein wie die Dub-Connaisseure von The Orb bis Fatboy Slim. Letzterer zollte sein Tribut sehr deutlich indem er der Bassline der ‚Guns of Brixton’ im Radio-totgespielten und trotzdem noch immer coolen ‚Dub Be Good To Me’ ein Denkmal setzte. ‚Lost In The Supermarket’ ist hingegen eine der Schablonen für den Britpop der Neuziger, ähnlich auch ‚Spanish Bombs’. Die offensichtlichen Vorbilder scheinen unendlich zu sein und die Vergleiche könnte man wohl Stunden fortführen. Dabei ist noch einmal deutlich in Erinnerung zu rufen, dass ‚London Calling’ der Impulsgeber ist und nicht der Einsammler von coolen Referenzen. Nach dreißig Jahren ist ‚London Calling’ noch immer ein Album, das immer wieder neu entdeckt werden kann und wohl nie ‚retro’ klingen wird. Solche Werke jenseits von Raum und Zeit gibt es nur selten und auch ‚The Clash’ haben es ‚nur’ geschafft genau eine Veröffentlichung von dieser Schlagkraft einzuspielen. Die 30th Anniversary Edition selbst ist recht unspektakulär beinhaltete doch die Version zum 25-Jährigen das identische Material und sogar noch zusätzlich eine weitere CD mit Demos und weiteren Songs. Sicherlich ist die Aufmachung im Papersleeve mit ausführlichem Booklet auch hier gelungen, wer die Edition von vor fünf Jahren schon besitzt, sollte jedoch keinen Grund haben nochmal zuschlagen zu müssen.