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Testube - Corporation
Achtung! Der Künstler, dessen neueste Veröffentlichung im Folgenden vorgestellt werden soll, hat weder etwas mit dem quirligen Punk-Sound von „Peter And The Test Tube Babies“ noch mit dem Charme einer Teestube zu tun. Ein paar Monate hat „Corporation“, die mittlerweile siebte Veröffentlichung (und gleichzeitig das 3. Album) des illustren US-amerikanischen Trios „Testube“ bereits auf dem Buckel, klingt aber derart zeitlos, dass eine Rezension hier und jetzt auf jeden Fall nicht fehlen sollte – immerhin landete der Silberling erst vor wenigen Wochen in unserem Redaktions-Briefkasten. Seit 1999 arbeitet Mastermind Jeff Danos mit seiner Frau Christina und Bryan Elsloo bereits an „Corporation“. Nach dem erstmaligen Anhören drängt sich unweigerlich die Frage auf „Wie kann das sein?“. Noch dazu hatte Danos einst selbst erklärt, er habe sich entschieden, das komplette Album nur durch „Knöpfe drücken“ zu komponieren – also Mausklick statt Synthies? Wozu also knappe fünf Jahre Mühen? Für Außergewöhnlichkeit, Einzigartigkeit. Der Name des Albums ist Programm, ein Blick auf die Tracklist verrät, hier sind Maschinen am Werk, Gefühle und Emotionen haben heute ihren freien Tag. „Corporation“, zu deutsch Körperschaft (des öffentlichen oder privaten Rechts), ist eine kritische Bestandsaufnahme eines Zustandes, in dem sich das Land aller Träume und Wünsche seit vielen Jahren befindet und dem es sich nicht (mehr) entziehen kann und will. Mit anderen Worten: ruled by corporations – ein Gesellschaftsystem, in dem Politik, Wirtschaft und Soziales immer mehr von den Lenkern einiger machtvoller Großkonzerne gesteuert und diktiert werden. Wer hat noch nicht längst begriffen, dass der American Dream die größte Lüge aller Zeiten ist – eine Illusion? Der Glanz der alten Tage wird rostig, die einst leuchtende Farbe stumpf und blättert ab. Musikalisch arbeitet Testube nach dem Schichtenprinzip und bleibt in gewisser Weise doch dem Minimalismus treu. „Corporation“ lebt von einer Melange unzähliger Stile, die – eben noch im Kampf ums Gehör – eine Sekunde später harmonisch Hand in Hand gehen, um gleich darauf mit einem Big Bang aufeinander zu prallen. Scheinbar wahllos wird hier mit einer schier unglaublichen Vielzahl an Sounds und Rhythmen experimentiert, komplexe Strukturen treten an die Stelle ermüdender Linearität. Kalt und steril wirken die Soundscapes, unter die sich immer wieder stark verzerrte Stimmen männlicher und weiblicher Wesen – oder sollte man sagen Cyborgs? – mischen. Die Maschinen scheinen außer Kontrolle geraten zu sein, Dysfunktionalität übernimmt das Regime – alte, traditionelle und bisher undurchdringliche Hierarchien werden aufgebrochen, Grenzen gesprengt (gerne wird hier vom „cubicle“ gesprochen, den charakteristischen, engen, schnöde-grauen Arbeits-Boxen mit den hohen Wänden, in denen etwa auch Angestellte des Yahoo-Konzerns ihr Angestellten-Dasein fristen müssen). Danos und seine Mitstreiter mischen auf „Corporation“ Drum’n Bass mit zappeligem Breatbeat, stülpen die Wucht des Industrial darüber und versetzen die Kompositionen mit dancefloor-kompatiblen Electro-Sequenzen. Leichte Kost ist das hier nicht, vielmehr verlangt das Album genaues Zuhören und einiges an Aufmerksamkeit. Ansonsten dürfte der Hörer „Corporation“ nur sehr wenig abgewinnen können. Das Album ist intelligent und anspruchsvoll arrangiert und vom Status „Massenkost“ außerordentlich weit entfernt – oder, wie es das Label DSBP treffend beschreibt: „[...] thought provoking, disorienting and usually unpredictable [...]“ Ob zum Chill-Out oder Tanz – auf dem mit 13 Tracks gespickten und fast 73 Minuten langen Album findet sich eine breite Palette an Tracks, die unterschiedlicher nicht sein könnten (so überrascht nicht einmal der Alphorn-ähnliche Sound auf „Last Of The Loops“. Der Track „Atomic“ im „In Virus Tandem Mix“ fällt hingegen komplett aus dem Rahmen – ein dancefloor-kompatibler Sythie-Pop-Song mit Disco- und Lounge-Appeal und einem Schuss C 64. Vollkommen irr ist auch „Staff Infection“: hier treffen Kraftwerk-ähnliche Keyboard-Klänge auf wabernde Synth-Flächen, Danos’ hallende Stimme und einen midtempo-old-school EBM-Beat samt Bassline. Allerdings würde sich „Corporation“ auch als Soundtrack für Filme à la Matrix oder entsprechende Video-Spiele gut machen. Fans von Underwold oder alten NIN-Sachen sollten Testube einmal ihr Gehör leihen. Für all jene, die nun sprichwörtlich Blut geleckt haben, eine gute Nachricht: in den kommenden Sommermonaten werden Testube eine Art Rückblick ihres 10jährigen Schaffens in Form einer Doppel-CD-Box unter dem Titel: „Halflife: Ten Years of Testube 1994 –2004“ auf den Markt bringen. Mehr dazu sowie eine Vielzahl an weiteren Informationen gibt es auf der Homepage der Band.
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