Sieben (verhexte) Jahre und sieben selbst produzierte Alben haben System Syn gebraucht, um im Jahr 2004 endlich ihr offizielles Debüt "Premediated" über ein Label (USA: Sector 9/D: Lizenz an Out of Line) veröffentlichen zu können. Nach der Trennung von Sector 9 hat das Trio um Sänger Clint Carney nun die Zusammenarbeit mit Metropolis Records besiegelt und den Nachfolger "Postscript" veröffentlicht. Waren die Reaktionen auf "Premediated" damals eher zwiespältig – ein Durchbruch oder wenigstens größerer Bekanntheitsgrad gelang System Syn damit in Deutschland nicht – schaut und hört man jetzt also gebannt auf das neue Album. Ein Revolver, schreibende Hände, Blutflecken auf dem Brief - ein Suizid, der Abschiedsbrief eines Selbstmörders? P.S. = Post scriptum = Postcript: Eine nachträgliche Notiz, ein kurzer Gedanke, der dem Brief hinzugefügt wird – ein Gedanke, der im alten Leben nicht mehr niedergeschrieben werden konnte. Elf Tracks lang haben sich System Syn mit dieser Thematik auseinander gesetzt. Eine positive, freudige Grundstimmung ist hier also eher nicht zu erwarten. Ein Blick in die Mitte des Booklets genügt: Drei Herren in Hemd, Krawatte und Anzug, ein paar Seiten zuvor noch extrem missmutig dreinblickend, hängen nun nach dem finalen Kopfschuss in den Stühlen. So ähnlich mag es vielleicht dem ein oder anderen erwartungsfrohen und gespannten Hörer auch gehen (ohne Kopfschuß!), denn "Postscript" kann auch nach vielen, intensiven Hördurchläufen und gewissenhaftem Lyrics-Studium nicht sehr überzeugen. Die Angabe der beats per minute ist auchnicht gerade einfallsreich und schon gar kein Qualitätsmerkmal für einen Tonträger. Ob sich neugierige Anhänger der Fast beats for us-Fraktion damit ködern lassen, bleibt fraglich. "Burning out" eignet sich zweifellos als solider und pushender Opener: Massenkompatibler Electro meets tanzbodentauglichen Synth Pop meets "irgendwo schon mal so ähnlich gehört" – aber mitreißend und abwechslungsreich arrangiert. Mit "Into my veins" folgt der Chill-out-Track dann schon auf dem Fuße. Beruhigend und entspannend oder einfach nur richtig einfallslos und langweilig, das ist wohl Geschmackssache. Ein paar eingestreute, nette Synth-Effekte und die immer und immer wiederkehrenden gleichen Melody- Lines samt Endlos-Refrain rufen bald Ermüdungserscheinungen hervor. Womöglich würde, um kurz einmal voraus zu greifen, das komplette Album sofort einiges an Finesse und Charme gewinnen, hätte Clint Carney nicht die Monotonie in Bezug auf seine stimmliche Ausdruckskraft gepachtet. Arien oder Hymnen werden hier freilich weder erwartet noch als passend empfunden und auch das Argument, dass es bei "Postscript" ja schließlich alles andere als lustig zugehen sollte, reicht nicht ganz, um zu widerlegen, dass Carney offensichtlich weder viel Liebe noch Emotion in seinen stimmlichen Ausdruck gelegt hat. "Angepisst" würde die empfundene Grundhaltung wohl noch am treffendsten beschreiben – schwer zu ertragen daher auch Songs wie "Existence in Neutral", denen jeglicher Spannungsbogen abhanden gekommen zu sein scheint. Von Überraschung, Abwechslung und Kreativität kaum eine Spur. Dass System Syn die Regler sehr wohl zu bedienen wissen, kann man wohlwollend konstatieren, doch das reicht beileibe nicht aus, um einem prinzipiell vielversprechenden Album-Konzept den zündenden Funken zu geben oder gar "Leben" einzuhauchen. Nach den ersten gehörten Sekunden kehrt meist einfach viel zu schnell Langeweile ein. Ein rares Highlight dieses Albums ist "All the human things", ein Song, auf den man gerne immer wieder zurückskipt, die Augen schließt und eigene Erinnerung Revue passieren lässt – Schmerz, Trauer und Enttäuschung wurden hier stimmlich wie soundtechnisch wirklich sehr schön umgesetzt – warum nicht mehr davon? "Through this" und "I never was" reihen erneut brav einen Haufen 08/15-Arrangements aneinander, platt inszenierte Refrains, wenig packende Aggressivität, die hier und da offensichtlich auszustrahlen angedacht war. "Now" dürfte zumindest für ein paar Minuten noch einmal aus der inzwischen eingetretenen Lethargie reißen. "The saddest Song was you" soll dann wohl die traditionelle Quoten-Ballade mit Tränendrüsen-Effekt sein. Einfach unerträglich oder genial-theatralisch? Leider ist dieses Album im Großen und Ganzen nur unteres Mittelmaß, wird aber seine Freunde finden. Erwartet wurden hier weder die neuen "Tragic Heroes" mit Stampf-Garantie, noch verzweifelte Todeslyriker und Selbstmord-Analysten, die im Sumpf der eigenen Trauer unwiederbringlich gefangen sind. Doch zu einfach machen sollte man es sich auch nicht – mehr eigene Ideen, mal abgesehen von den ansprechend getexteten Lyrics, hätten "Postscript" gut getan. So rasen 90 % der elf Songs ohne Erinnerungswert und Aufmerker an einem vorbei. Da hilft auch das Höchstmaß an 142 bpm ("Somewhere" – mit Soft-Synth-Pop und Weichspül-Attitüde) nichts mehr. Nach dem "Judas Kiss" wären die Hoffnungen auf dieses Album dann wohl auch eher gestorben... Schade darum.