...und nun die große Preisfrage: Man stelle sich mehrere Musiker denkbar verschiedener Stilrichtungen vor, die gemeinsam in einen Proberaum gesperrt werden. Welche Musik entsteht dabei schlußendlich? Option A: Gar keine - man hat sich infolge endloser, fundamentalistischer Diskussionen über die Vorzüge und Nachteile der verschiedenen Genres schon nach kurzer Zeit gegenseitig zerfleischt. Option B: Gar keine - man hat schnell verbindende Gemeinsamkeiten jenseits des Musizierens gefunden und ist schon nach kurzer Zeit so angetrunken oder breit, daß man kaum noch ein Instrument richtigherum halten kann. Option C: Man einigt sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner und fertigt ein straightes, eingängiges Album an, mit dem alle leben können und welches doch keinem so richtig gefällt. Option D: Man ergänzt sich gegenseitig, wirft all die Stilrichtungen zusammen und überläßt es dem Hörer, der Musik irgendetwas zu entnehmen oder sie auch nur ansatzweise sinnvoll zu beschreiben. Stellt man sich diese Frage, so ist die Antwort im Falle von "Suspended Animation Dreams", dem Zweitwerk von SUBTERRANEAN MASQUERADE, klar: Ob dabei nun Substanzen im Spiel waren oder nicht - die Musikanten um Mastermind Tomer Pink haben sich für Option D entschieden, hörbar und in aller Konsequenz. Die Tatsache, daß der Schriftzug von Candlelight Records auf dem Back-Cover der Promo prangt, läßt vermuten, daß sich dieses Werk zumindest grob innerhalb der etwas extremeren Metal-Genres einordnen läßt. Und, bei Gott, extrem ist "Suspended Animation Dreams" von der ersten bis zur letzten Minute. Auf der einen Seite wirkt die Musik ein wenig wie die späteren Werke der britischen Düster-Heroen Anathema, auch entfernte Erinnerungen werden wach an so verschiedene Bands wie Madrugada, Therion oder Opeth, wobei SUBTERRANEAN MASQUERADE, im positivsten Sinne, genauso einen Schaden haben wie die Letztgenannten zu ihren besten Zeiten. In der Essenz jedoch sind die insgesamt acht Tracks mit insgesamt einer knappen Stunde Spieldauer eine Gratwanderung zwischen (Gothic-)Rock, Doom/Death-Metal, Blues, (Free-)Jazz, Pop und allem, was sich irgendwie dazwischen befindet. Und dabei ist man, wie gesagt, konsequent; folglich reicht das verwendete Repertoire an Stilelementen vom üblichen Metal-Programm (Gitarren / Bass / Drums / Growl-Vocals) über allerlei klassische Saiteninstrumente bis hin zu Saxophon und Mundharmonika(!), schöpfen die zahlreichen Musiker, die Mr. Pink für dieses Album um sich versammelt hat, akustisch aus den Vollen und erschaffen ein Werk, welches Puristen der angesprochenen Genres besser meiden sollten. Allen anderen sei gesagt: Die Mixtur, die SUBTERRANEAN MASQUERADE ihrem Hörer anbieten, ist gewagt, aber funktioniert über weite Strecken richtig gut. Trotz der stilistischen Vielfalt ist es dem Projekt nämlich gelungen, Songs im Sinne des Wortes zu bauen, die kompakt und schlüssig wirken und denen man stellenweise sogar einen gewissen Wiedererkennungswert bescheinigen kann (man höre etwa "no place like home"). Zudem ist die Musik über die gesamte Spielzeit hinweg ausgesprochen stimmig und dicht, bewegt sich irgendwo zwischen harmonisch inszenierter Melancholie (in solchen Momenten sind die Parallelen etwa zu Anathema's "a fine day to exit" frappierend) und kontrollierten Metal-Ausbrüchen, die die Songs jenseits der Harmonie und der umfangreichen Instrumentierung energisch und kraftvoll wirken lassen. Das kann man bei einem in dieser Form inszenierten musikalischen Gesamtkunstwerk nicht unbedingt voraussetzen - "progressive" Bands, die sich beim Turnen zwischen den Genres in emotionslosem Gefrickel und strukturierter, aber druckloser Belanglosigkeit verlieren, gibt es leider mehr als genug... Bleibt die Frage: Wie um alles in der Welt bewertet man ein solches Album? Freunde von experimenteller, genre-loser Musik, die jenseits planlosen Geschrammels wahrhaft das Prädikat "alternativ" verdient hat, können bei SUBTERRANEAN MASQUERADE nicht wirklich falsch liegen. Genre-Puristen hingegen, wie auch all jene, die sich Musik gern zur Nebenbei-Berieselung geben, sollten um "Suspended Animation Dreams" einen möglichst großen Bogen machen. Ich persönlich habe dieses Album in nunmehr schon einigen Durchläufen als ein schlüssiges, sehr gelungenes und absolut hörenswertes Gesamtkunstwerk schätzen gelernt, für welches ich gern 5.5 Sterne ziehe in der Gewißheit, daß "Suspended Animation Dreams" als zweiter Teil einer Trilogie vermutlich noch nicht das Ende der Kreativität des Projektes sein dürfte. Neugier, wie sich der Nachfolger dieses Werkes wohl anhören wird, ist sicher angebracht...