'Enless twilight of codependent love' lautet der Titel von Album Nummer sieben der Isländer Sólstafir und mag es Fügung sein, gezielte Zusammenarbeit oder bewusste Konkurrenz: nur eine Woche trennt diese Veröffentlichung vom aktuellen Werk der Landsmänner von Katla und auch musikalisch liegen zwischen beiden Bands keine Welten. Warum sollte ich mich also erneut den melancholischen Rockern hingeben?

Weil sie Fans bestimmt nicht unzufrieden stimmen wird. Viel mehr aber auch nicht!?

Aber der Reihe nach: Viele Fans der ersten Stunde sahen nach drei hervorragenden ersten Alben mit 'Ótta' und vor allem 'Berdreyminn' nicht nur eine Entwicklung zu (zu) sanfteren Klängen. Zu nett, die ständige Wiederholung alter Muster oder gar Belanglosigkeit wurde herausgehört und die Band zumindest albumtechnisch zum Teil abgeschrieben. Ich kann diese Denke nur in Teilen verstehen, auch wenn man natürlich den härteren Klängen hinterherweinen darf. Mir waren beide Alben aber fast schon lieber (ohne jetzt die frühen Werke anzuzweifeln) und meine liebsten Sólstafir Songs finden sich auf eben jenen beiden Alben. Deswegen ging ich recht unvorbelastet an das neue Werk und ja, ich kann mir vorstellen, dass so mancher Fan der ersten Stunde frohlockt, denn Sólstafir klingen nicht nur etwas frischer, sondern auch wieder in Teilen härter. Aber die Band hat sich wieder deutlich gewandelt ohne zu alten Stilen zurückzukehren. 'Enless twilight of codependent love' ist ein im besten Sinne ein Bastard aus vielen Stilen: Klingt "Akkeri" noch sehr nach älteren Werken ist es bei "Drýsill" eher so ein Hauch Rock der 90er, der da mit Haarspray mitschwingt. "Rökkur" könnte mit den immer dramatischer klingenden Keyboards, dem eigenwilligen Sprechgesang und dem wunderschönen Glockenspiel auf einem Album einer Goth Rock Band entspannt vor sich hinschwelgen. Und so geht es weiter mit den Stilen und Stilmitteln – da bietet das aktuelle Werk wirklich mehr abwechslung als auf den beiden Vorgängeralben. Jedoch: ich bin nicht begeistert. Ich bin sogar in weiten Teilen eher gelangweit – vor allem in der zweiten Albumhälfte nach "Dionysus" muss ich mich zum Hören zwischen. Besonders "Alda syndanna" bietet zwar gesangliche Abwechslung, die tut aber bisweilen eher weh und der Song klingt wie eine langgezogene Ballade ohne wirkliche Dramatik. Nein, nein, ich werde nicht warm mit dem Album und greife dann doch wesentlich lieber zum Mitbewerber aus Island. Nicht, weil der zugänglicher ist (eher das Gegenteil ist der Fall), sondern weil er Spannung und Emotionalität in sich vereint. Sólstafir klingen eher planlos suchend als experimentierend.

Ich habe mich entschieden – nicht Sólstafir wird mein Herbstalbum aus Island, sondern Katla. Sólstafir sind rockiger, leichter zu erschließen und bei aller Wehmütigkeit ausgelassener, sie zeigen alte Härte und unterschiedliche Stile. Aber auf dem siebten Album berühren sie mich nicht, die Songs plätschern bei aller Abwechslung viel zu lang vor sich hin und ich warte eher, was Album Nummer 8 bringen wird.

 

Sólstafir

Enless twilight of codependent love
 

06.11.2020

Season of Mist

 

https://solstafir.bandcamp.com/album/endless-twilight-of-codependent-love

 

01. Akkeri
02. Drýsill
03. Rökkur
04. Her fall from grace
05. Dionysus
06. Til moldar
07. Alda syndanna
08. Or
09. Úlfur
10. Hrollkalda þoka einmanaleikans
11. Hann for sjalfur