Solitary Experiments haben ein neues Album am Start. Alle Fans und Interessierten konnten die Entstehung und Entwicklung des mittlerweile sechsten Longplayers live auf einer eigens dafür eingerichteten Homepage verfolgen. Mit regelmäßigen Tagebucheinträgen, diversen Fotos und kleinen Videos wurde ordentlich Spannung aufgebaut. Ein guter Marketingcoup hat das deutsche Trio trotz seiner jahrelangen soliden musikalischen Leistung nie den großen Sprung geschafft. Mit „In The Eye Of The Beholder“ wäre es jetzt also an der Zeit. Das Album enthält als kleines Schmankerl noch eine Bonus-CD mit diversen Remixversionen verschiedener neuer Titel. Mit gleich 14 zusätzlichen Tracks wartet „The Beauty Lies…“ auf. Das bietet (Spiel-)Raum für diverse Szenefreunde die Ursprungsstücke noch einmal durch den Rechner zu jagen. Aber dazu später mehr… „Please God Grant Me The Serenity To Accept The Things I Cannot Change, The Courage To Change The Things I Can And The Wisdom To Know The Difference” Mit der orchestralen Untermalung dieses Zitats des Theologen Reinhold Niebuhr startet die Reise durch 12 neue Songs, die durchweg bereits in ihren Titeln eine Verbindung zu der religiösen Thematik erkennen lassen: „Immortal“, „Dead And Gone“, „Road To Horizon“ oder „Seele bricht!“ Aber das ist kein Grund für alle Ungläubigen sofort mit dem Lesen aufzuhören und der Platte keine Chance zu geben. Natürlich ist die Thematik butterweich und alltagstauglich verpackt und die Musik erinnert nicht an kirchliche Sonntage. SE verlassen sich stattdessen auf das, was sie am besten können. Die Verfeinerung elektrischer Klänge auf eine einfache eingängliche Weise, die Umsetzung einer großen Bandbreite emotionaler Gemütszustände und schlussendlich die Untermalung mit der prägnanten Stimme von Dennis. Mit Nummer 2 der Platte ist ihnen dabei wieder ein echtes Glanzstück gelungen. „Rise And Fall“ ist ein absoluter Ohrwurm, der bester Beweis dafür ist, dass SE bisher leider zu wenig Beachtung zuteil wurde. Eine präsente Melodie auf einem einfachen Grundrhythmus garniert mit einem hitverdächtigen Refrain. Was braucht ein Popsong schon viel mehr? Leider schaffen es SE jedoch nicht, allen weiteren Song erstklassige Melodien zu verleihen. Hier und da gleiten die Titel in eine gewisse Monotonie ab und finden nicht mehr den gewohnt direkten Weg in das Gehör. Wenn man nicht aktiv dabei ist, verschwimmen einzelne Songs zu sehr zu einem und driften ins Mittelmaß ab. Manchen Songs hätte anstatt der mit über 5 Minuten doch überdurchschnittlichen Länge eine etwas kürzere Prägnanz besser gestanden. Zu den stärksten Titeln zähle ich „Road To Horizon“, „Dead And Gone“, “Point of View“ und „A Rush Of Ecstasy”. Der einzige deutsche Titel dieser Platte „Seele Bricht“ ist stattdessen Beweis dafür, dass deutsche Refrains entgegen englischen den Nachteil haben, dass sie recht trivial klingen. Das zerstört für mich etwas die Stärke dieses Songs, die rhythmisch variable Melodie und prägnante Gesangslinie. Den Schlusspunkt der Platte setzt das temporeiche „No Surrender“. Eine tragende Melodie gibt dem Refrain noch einmal den richtigen Schwung um die Platte nach dem eindrucksvollen Start auch gebührend zu beenden. Noch kurz ein paar Worte zu „The Beauty Lies…“ – der zweiten CD. Eine Remix-CD ist immer ein Drahtseilakt. Eine Vielfalt zu schaffen, die neue spannende Melodien bietet und keine Monotonie aufkommen lässt, ist schwierig. Und so fällt es mir auch regelrecht schwer alle 14 Tracks hintereinander durchzuhören. Obwohl mit „Rise And Fall“ einer der stärksten Songs unter den Remixvorlagen ist, kann die Bonus-CD nicht annähernd in ihren Bann ziehen wie es die Vorlagen teilweise können. Die stärksten Remixe kommen aus dem Hause Sinessence und Millimetric. Die übrigen Neugestaltungen blieben mir hauptsächlich zu einfallslos und eintönig. Im Endeffekt kommen Solitary Experiments nach meiner Ansicht mit „In The Eye Of The Beholder“ nicht an ihr Vorgängerwerk „Mind Over Matter“ ran. Die Dichte der erstklassigen Songs ist diesmal nicht ganz so hoch. Dennoch sind wieder einige Stücke dabei, die absoluten Ohrwurmcharakter haben und definitiv echte SE-Klassiker werden können. Für SE-Fans ist das Album ein echtes Muss, das sicher jeder bereits in seinem Regal stehen hat. Für alle Liebhaber poppig angehauchter Elektromusik, die sich nicht nur in eine Ecke drängen lässt, sondern von Clubnummer über Ohrwurmsong bis Ballade alles bieten kann, sei die Platte nachträglich noch ans Herz gelegt. Die Bonus-CD ist jedoch im Vergleich zum Album sehr schwach geraten. Die Remixe überzeugen zu selten durch individuelle Größe und können der CD nicht die nötige Abwechslung verleihen.